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Das Volksmarchen und die Sage in Europa und Japan −Eine vergleichende Stilanalyse−

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奈良教育大学学術リポジトリNEAR

Das Volksmarchen und die Sage in Europa und Japan −Eine vergleichende Stilanalyse−

著者 TAKEHARA Takeshige

journal or

publication title

奈良教育大学紀要. 人文・社会科学

volume 33

number 1

page range 39‑47

year 1984‑11‑26

URL http://hdl.handle.net/10105/2238

(2)

餌私,#a苔niv.Educ.苧[33*

V。l.3君ふ冨(AX‑

1(cult.悪霊c).1984

Das Volksmえrchen und die Sage in Europa und Japan

‑Eine vergleichende Stilanalyse‑

Takeshige TAKEHARA

(Deutsches Seminar, Pddagogische Hochschule Nara, Japan) (Am 28. April 1984 angenommen)

Inhaltsangabe

I. Emleitung

II. Begegnungsweise des Helden mit dem Jenseitigen in europ. Sage und Marchen

III. Begegnungsweise des Helden mit dem Jenseitigen lm japanischen M点rchen IV. Wirkungsart der Jenseitigengabe in europ. Sage und M丘rchen

V. Wirkungsart der Gabe lm jap. M且rchen

VI. Darstellungsart der Dinge, Menschen und der Umwelt in europ. Sage und M丘rchen VII. Darstelung der Dinge, Menschen und der Umwelt im jap. M畠rchen

VIII. Zusammenfassung L iteratu rnachwe is Anmerkungen

I. Einleitung

Die Volkserz云hlforscher in Europa und Amerika (z. B. Lutz Rohrich, Richard M. Dorson) weisen oft darauf mn, da8 das japamsche Volksm云rchen mit der europ云ischen Volkssage nan verwandt sei. Nach dem Gattungsverst云ndms der Europ云er sei das japanische Volksmarchen der europえischen Volkssage云hnlich. Wie kann man nun in Europa den Unterschied zwischen dem Marchen und der Sage erkennen? In Europa streben die bei‑

den Gattungen je einem entgegengesetzten Stil zu und entsprechen polaren, menschlichen Bediirfnissen: Der Mensch ,,homo r】arransH erz云hit eine Geschichte einerseits mit optimi‑

stischer Haltung auf einem wirklichkeitsfernen, phantastischen Niveau, anderseits mit pes‑

simistischer Haltung auf einem wirklichkeitsnahen Niveau. Daraus entstehen die beiden Gattungen. In dieser Abhandlung will ich zuerst das Marchen und die Sage in Europa nach der stilistischen Methode L凸this analysieren und deren Wesensziige darstellen. Dann untersuche ich das japanische Volksm云rchen lm Vergleich mit den beiden europ云ischen Gattungen.

II. Begegnungsweise des Helden mit dem Jenseitigen in europ. Sage und Marchen

Als eine typische Sage in Europa fiihre ich eine damonologische Sage aus der Schweiz, ,,Die RahmgretheH, an:

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40 Takeshige Takehara

Die Rahmgrethe war eine alte, wunderliche Hexe. Sie hatte nur eine einzige Kuh und doch stets soviel Rahm, als hえtte sie funfzig.

Ein Senn, der es nicht lassen konnte, versteckte sich eines Tages in ihrem Stall.

Und nicht lange, da kommt die Grethe herein. Sie stellt einen groBen Zuber vor sich hin und ein Kriiglein voll Rahm, macht ein paar Handbewegungen dariiber und murmelt:

Hexengut und Sennenzoll, von jeder Kuh zwei Loffel voll.

Und schon fiillt sich der Zuber bis an den Rand mit dem schonsten Rahm. Sie nimmt ihren Zuber auf den Buckel und gent hinaus.

Der Senn hatte sich den Spruch gemerkt, rannte heim und probierte ihn so fort aus im eigenen Stall. Weil er aber mit zwei Loffeln voll nicht zufrieden war, mur‑

melte er:

Hexengut und Sennenzoll, von jeder Kuh zwei Kiibel voll.

Da kam der,Rahm gestromt, daB alsbald Stall und Haus davon voll waren und der Senn dann ertrank.

Der macht es mir so schnell nicht wieder nach, kicherte die Rahmgrethe oben auf dem Dachbalken sitzend.1

Die Sage berichtet von dem Jenseitigen und dem Kampf mit ihm. Das Ungewohnliche ist einer der Grundantriebe des Erz云hlens. Die Sage kreist deswegen immer um das GeheimnisvolトNuminose. Wenn der Sagenheld dem Jenseitigen begegnet, furchtet er sich vor ihm und ger云t in Angst: Hier lm Text versteckt sich der Senn im Stall der Rahmhexe. Bis zum Ende der Sage sitzen sich die beiden nie Stirn an Stirn gegeniiber.

Wie reagiert dagegen der Mえrchenheld auf den Jenseitigen? Da fur w云hie ich wieder ein

typisches Marchen aus der Schweiz,..AschengriibelH :

Ein kleines M云dchen hatte seine Eltern verloren. Sie hatten ihm nichts hinter.

lassen als em wunderschones, strahlendes Kleid und ein Testament. Aber kein Mensch wuBte, wo das Testament hingekommen war. Also nahm das M云dchen das Kleid in ein Tiichlein und suchte sich einen Dienst. Nach langem Suchen fand es in einem vornehmen Haus als Kuchenm云cichen Anstellung. Dort muflte es die niedrigste Arbeit verrichten, und deshalb nannte man es nur Aschengriibel. Sein schones Kleid versteckte es unter einer Tanne.

Einst war Tanz lm Dorf. Da gmg das M云dchen frohlich zu seiner Meisterin

[・・・] und fragte sie, ob es auch auf den Tanz gehen diirfe. ,,Gehen darfst du," sagte

sie, ,.und zuschauen, aber beileibe nicht tanzen !"

Da gmg es zur Tanne. Am einer Quelle unterwegs wusch es sich Gesicht und HSnde. Und als es das strahlende Kleid angezogen hatte, war es ein wunderschones Fr云ulein.

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Das Volksmarchen und die Sage in Europa und Japan 41

Und als es zum Tanzplatz kam, drehte sich alles nach lhm um. Und der Sohn des vornehmen Hauses, wo es arbeitete, kam alien zuvor, und weil er Aschengrubel nicht erkannte, lud er es zum Tanz ein. Aber es lieB sich nicht dazu bewegen, so dringlich er auch bat.

Beizeiten entsprang es und kam zur Tanne zuriick. Hier legte es sein Kleid ab und machte Gesicht und H云nde wieder russig. Da erschien auf einmal ein winziges M云nnchen. Das griiBte freundlich und verschwand gleich wieder, wie es gekommen war.1

Das ist die erste H云Iite einer Variante des Aschenputtel‑Mえrchens, das in Europa und

in Asien weit verbreitet ist. Wo tritt aber der Jenseitige auf? Bei der letzten Szene er‑

scheint auf einmal irgendwoher em Mえnnchen und verschwindet gleich wieder irgend‑

wohin. Wahrend in der Sage der Held bei der Begegnung mit dem Jenseitigen Angst vor dem Numinosen hat, verkehrt der Marchenheld mit dem Jenseitigen, als ob er seines‑

gleichen ware. Hier im Text griiBt auch das M云nnchen Aschengriibel ganz freundlich wie ein alter Nachbar. Die Jenseitigen lm M云rchen haben keinen numinosen Charakter mehr wie in der Sage und gehoren durchaus zur Menschenwelt.

Die Geschichte von ,,AschengrubelH mmmt dann folgenden Fortgang: Aschengrubel kommt wieder im strahlenden Kleid zum Tanzplatz und wird noch dringlicher als das erstemal von dem Jungling zum Tanz aufgefordert. Und als es wieder nicht tanzen will,

da will ihm der Jungling mit Gewalt einen KuB geben. Wie Aschengrubel zum drittenmal

zum Tanzplatz kommt, h云It es der vornehme Sohn an der Hand fest und la'Bt es nicht

mehr los. bis es ihm verspricht, ihn zu heiraten. Da muB es ihm sagen, daB es nur Aschengrdbel sei, welches im Haus seiner Eltern die niedngste Arbeit verrichte. Aber der vornehme Sohn hat es deswegen nicht weniger lieb und setzt sogleich den Hochzeitstag fest. Una dann:

Am Hochzeitstag ging Aschengriibel das letztemal zur Tanne, um das strahlende Kleid anzuziehen. Und nun begann das winzige M急nnchen zu reden und sprach;

,,Da hastdu noch etwaszur MitgiftH, und gab ihm ein Buch. Und als es das Buch offnete. war es das Testament semer Eltern. Und das Testament machte es zur Erbin einer groBen Herrschaft.

Schnell eilte es zu seinem Br云utigam. Der Br云utigam fiihrte es zu seinen Eltern.

Und dann wurde eine Hochzeit gefeiert; ihr habt in euerem Leben noch keine schonere gesehen.13'

Wenn man das Marchen bis zum Ende liest, dann kann man erkennen, was fur eine Rolle der Jenseitige spielt. Das Mえnnchen ist keine Hauptfigur, sondern eine Nebenfigur, d. h. ein Heifer, der der Heldin das Testament lhrer Eltern凸berreicht.

Die Sage also berichtet von dem seltsamen Erlebnis des Helden (hier im Text des Sennen), der dem Jenseitigen (hier der Rahmgrethe) begegnet. Deshalb muB der Sagen‑

erz云hler ausfuhrlich schildern, wo der Jenseitige wohnt und um welche seltsame unge‑

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42 管akeshigeでAKEHARA

wohnhche Magie es sich handelt. In unserer Sage hat auch der Spruch wirklich Zauber,

den Rahm zu vermehren. Dagegen hat der M云rchenerz云hler kein Interesse fur den

Jenseitigen an sich, sondern nur fur die Handlung, wie der Held die Schwierigkeit dber‑

windet und gldcklich wird. Deshalb braucht der Erz云hler von dem Jenseitigen nicht ausfuhrhch zu benchten. Der Jenseitige wird nur erw云hnt, wenn er mit dem Helden

verkehrt. Dariiberhinaus hat der Jenseitige im Marchen mchts Numinoses und Furcht‑

bares an sich. Also grdBt der Held (hier im Text Aschengriibel) ihn (das M,云nnchen) freundlich, als ob er einen Nachbarn sえhe, wえhrend der Sagenheld (hier im Text der Senn) sich vor dem Jenseitigen (hier der Rahmgrethe) furchtet und ihn nicht direkt sehen kann. Der Jenseitige lm M云rchen ist kein Wesen, das man verehre王i sol】, sondern nur Tr護ger einer Funktion, nえmlich dem Helden zu helfen. Hier in unserem Text spielt das M云nnchen bloc die Rolle, am Hochzeitstag dem Madchen das Testament seiner Eltern zu iibergeben. AuBerdem untersucht das Mえdchen nicht, wie und woher das M云nnchen das Buch bekommen hat, und das Mえdchen wundert sich auch nicht dariiber. Der Marchenerz云hler berichtet von nichts anderem als der Sache, die mit der Handlung des

Helden zusammenhangt.

III. Begegnungsweise des Helden mit dem Jenseitigen im jap. Marchen

Dafiir setze ich bei einem Volksm云rchen an, das m Japan aucerordenthch verbreitet ist. Es ist: ,,Der Pferdetreiber und die Onibaba", eine Geschichte, in welcher eine d云I monische Frau auftritt.

Es war einmal ein Pferdetreiber. Eines Tages fiihrte er das Pferd, das auf dem Rucken getrocknete Fische trug, vom Strand her eine steile StraBe hinauf. Da sah er etwas WeiBes in der Feme, und als er naher kam, sah er, daB es eine Ombaba (‑eine d云monische alte Frau) war. Sie entdeckte die getrockneten Fische auf dem Riicken des Pferdes und sagte: ,,Lieber Pferdetreiber, liebe Pferdetreiber! Gib mir von den getrockneten Fischen!H Weil er sich furchtete, gab er lhr einige davon.

Sie aB alle Fische gleich auf und verlangte noch mehr. [‥.] Es blieb ihm nichts

anderes ubrig, als ihr auch das Pferd zu geben. Voller Schrecken bemerkte er, da月 anschlieBend er selbst an der Reihe war. Deshalb rannte er schleumgst davon, W云hrend die Alte sich gierig mit dem Pferd besch云ftigte.'4

Das ist die erste HえIfte der Geschichte. Wenn man die Geschichte nur so weit kennt, halt man sie fur eine typische Sage. Derm hier im Text wird das ungewohnliche Erlebnis eines Menschen mit einem Jenseitigen geschildert. Im Mittelpunkt des Geschehens steht immer die jenseitige Figur. Als der Pferdetreiber die Onibaba sieht, furchtet er sich und mu8 ihr alle Fische und sogar sein Pferd geben und voller Schrecken davon rennen.

Hier ist die Angst vor dem Numinosen und der furchtbaren Natur. Die Onibaba ist eine wirk】ich d云moniscbe Hexe, die sogar die Menschen fressen will. Aus dieser Perspektive wえre es zutreffend zu behaupten, das japanische Marchen sei der europaischen Sage

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Das Volksmarchen und die Sage in Europa und Japan 43

えhnlich. Abef so emfach darf man nicht den SchluB ziehen. Deshalb fahre ich mit der zweiten Halite der Geschichte fort:

Zum Gluck sah er in weiter Feme ein Licht; er lief daraufzu und fand ein Haus. [‑] Es war niemand da, doch in der offenen Feuerstelle lag knuspriger Reiskuchen zum Rosten. Er hatte Hunger, afi alle Reiskuchen auf unc‖egte statt dessen Steine aufs Feuer. Da kam die Onibaba und sagte zu sich selbst: ,,Ich bin

miide, vielleicht weil ich die getrockneten Fische […] und ein Pferd gegessen

habe.H Der Pferdetreiber hob schnell die Bodenbretter der Veranda hoch, um sich darunter zu verstecken. Ahnungslos kam die Onibaba herein, sah nach der offenen Feuerstelle und sagte: ,,Wie gut, dafi ich noch die Reiskuchen habe", und steckte die gebratenen Sterne m den Mund. Sie waren so heiB, daB sie sich verbrannte und die Steine gleich wieder ausspuckte. Zornig und m凸de legte sie sich in eine Truhe und schlief so fort ein. Als der Pferdetreiber dies sah, offnete er lautlos den Deckel der Truhe und begoB die Onibaba mit kochendem Wasser aus dem Eisen‑

kessel, so daB sie starb. So hatte der Pferdetreiber die Onibaba besiegt.'

Die eigentliche Sage stellt die beiden Welten, die menschhche und die numinose, als zwei scharf von einander geschiedene Dimensionen dar, aber hier im Text ist der Abstand weit geringer. Wegen des vollen Magens wird die Onibaba ganz mude und ihre d畠mo‑

nische Macht geht verloren, w盃hrend der Pferdetreiber vernunftgem云a gegen die Onibaba kえmpft und sie besiegt. Am Ende der Geschichte ist die Jenseitige machtlos und der Held m云chtiger geworden. Aus dieser Gestaltung der Figuren kann unser Text als

,,ZwischenformH der Sage und des Marchens lm europaischen Smne aufgefaBt werden.

IV. Wirkungsart der Jenseitgengabe in europ. Sage und Marchen

Nicht nur in der Sage, sondern auch lm Marchen linden sich Gaben (Dinggaben od.

unsinnliche Gaben), die die JenseitJgen dem Helden geben. Was smd die Jenseitigenga‑

ben in unseren Texten? In der Sage ,,die RahmgretheH ist es der Zauberspruch, den der Senn abgelauscht hat, und der Rahm, den er durch den Spruch bekommen hat. Im

M云rchen..AschengriibelH ist es ein wunderschones, strahlendes Kleid, das ihm seine Eltern hinterlassen haben, und das Testament, das lhm das M云nnchen am Hochzeitstag gegeben hat. Die Sage und Marchen gestalten das Motiv der ,,GabeH ganz verschieden:

(a) Die Gabe in der Sage ist unbestimmt, tiefenhaft, bruchstiickhaft und variabel wie der Rahm, w云hrend jene im Marchen scharf umrissen, in sich geschlossen und konstant ist wie das Kleid und das Testament.

(b) Wer in der Sage die Gabe empfangt, auf den wirkt sie lange lm t云glichen Ge‑

brauch wirklichkeitsnah, wahrend die Marchengabe nur fiir den Helden punktuell, auf Handlungssituationen bezogen und phantastisch wirkt: In unserer Sage murmelt die Hexe

t盃glich den Spruch und bekommt viel Rahm. Der Zauberspruch wirkt auch beim Helden,

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44 Takeshige Takehara

sogar noch sはrker als bei Hexe, so sehr, daB er im Rahm ertrinken muB. In unserem

M云rchen niitzt das wunderschone Kleid der Heldin auch nur bei dem Tanz im Dorf.

Wenn sie das Kleid in ihrer Kindheit angezogen und abgetragen hえtte, w云re es nicht

niitzlich gewesen. Das Testament gilt ebenialls natiirlich nur fur die Heldin selbst und auch nur bei einer wichtigen Gelegenheit, d.h. am Hochzeitstag. Wenn sie es in lhrer Kindheit bekommen h云tte, konnte sie es nicht lesen und verstehen, und w凸rde es dann vielleicht weggeworfen haben.

(c) In der Sage verfolgt der Held die Gabe mit groBem Interesse und strebtaus alien Kr云ften nach ihr, wえhrend der Held im Mえrchen die Gabe gelassen empfangt, ohne sie zu erstreben: In unserer Sage versteckt sich der Senn in dem Stall der Hexe und hort ihr den Spruch ab, obwohl er sich vor ihr fdrchtet. Im M云rchen versteckt die Heldin lhr schones Kleid unter einer Tanne. Das ist der Beweis da fur, dafi sie zur Zeit daran keine Interesse hat. Von dem Testament weic sie vor der Hochzeit uberhaupt nichts. Aus diesen Verschiedenheiten der Funktionen der Jenseitigengaben in den beiden Gattungen kann eine bemerkenswerte Folgerung geschlossen werden: Obwohl der Held lm Marchen an den Gaben kein Interesse zeigt, haben sie in seiner Not die grocte Wirkung und fiihren ihn zu einem gliickichen Ende. In der Sage mmmt der Held dagegen em tragi‑

sches Ende, auch wenn er die Gabe (hier in unserem Text den Spruch) zu seinem Vorteil benutzen will.

V. Wirkungsart der Gabe im japanischen M益rchen

Was tritt in unserem japanischen Marchen als Gabe auf? Das sind die getrockneten Fische und das Pferd, die der Held (‑Pferdetreiber) der Jenseitigen (‑Ombaba) gegeben hat, sowie knusprige Reiskuchen, die der Held lm Haus der Jenseitigen gefunden hat.

Diese Gaben sind gewohnliche Lebensmittel in Japan und dienen hier lm Text auch als Nahrungsmittel. Selbstverstandlich sind sie nicht nur fur den Helden, sondern auch f也r die Hexe efibar. Auf die Lebensmittel sind er und sie gleichermassen begierig. Von diesem Gesichtspunkt her konnte man diese Gaben f也r typische Sagengaben halten.

Aber im Text kommen noch andere Gaben vor: die gebratenen Steme, die der Held statt der Reiskuchen aufs Feuer gelegt hat, und kochendes Wasser, mit dem er die Hexe Onibaba begieBt. Der Stem ist erne lm europえischen Marchen behebte Gabe. Obwohl der harte Stein eigentlich kein Lebensmittel ist, wird er hier im Text anstelle des weichen Reiskuchens der Hexe angeboten. Obwohl das kochende Wasser gewohnlich als Getr云nk dient, kommt es hier fiir die Ermordung der Hexe zur Anwendung. Diese beiden Gaben sehen wie gewohnliche Dinge aus, wirken aber in der Not des Helden phantastisch.

solche ungewohnliche Gebrauchsweisen der Gaben entsprechen dem phantastischen M云r‑

chenstil.

Nach den Funktionen der Gaben zu urteilen, scheint das japanische Volksm云rchen wiederum ‑ gem云B dem europえischen Gattungsbegriff‑zwischen der Sage und dem

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Das Volksmarchen und die Sage in Europa und Japan 45

Mえrchen zu hegen.

VI. Darstellungsart der Dinge, Menschen und der Umwelt in europ.

Sage und M丘rchen

Wie sind die Sage und das Mえrchen in Europa erzahit? Die Sage schildert das ungewohnhche Erlebnis des Helden mit dem Jenseitigen. Deshalb malt der Sagenerz云hler

den Jenseitigen und seine Behausung, den Helden und dessen Kampf mit dem Jenseitigen atmospharisch und realit急tsnah aus. In unserer Sage wird eingehend und lebendig erz云hit, wo die Hexe haust, wie sie den Zauberspruch murmelt und den Rahm vermehrt. Wenn wir den Text horen: ,,Da kam der Rahm gestromt, daB alsbald Stall und Haus davon voll waren und der Senn dann ertrankH, dann glauben wir das langsame Zeitverrinnen mit Hえnden greifen zu konnn. Der Mensch der Sage steht, wie in der Wirkhchkeit, unter der Macht der Zeit. Die Sage erz乏hit auch die Innenwelt des Menschen: unser Text endet sagenhaft mit dem Kichern der Rahmhexe. Diese letzte Szene ermnert dann wieder deutlich an jene psychologische Struktur, wonach m der Sage der seelische Eriebmsvor‑

gang von AngsトAnspannung‑Spott ins Zentrum der Darstellung riickt.

Das Marchen erwえhnt dagegen ohne Ausmalung die Marche工ifiguren und deren Umwelt nur, wenn sie fur die Handlung des Helden erforderlich sind. In unserem Mえrchen ist z.B. von einer Tanne die Rede, aber wir ko'nnen uns keine wirkliche Tanne vorstellen, weil der Erz云hler nicht n云her ausfuhrt, wie groB der Baum ist, ob er stark belaubt ist, usw.

Wir konnen auch vom Text nicht wissen, ob der Sohn des vornehmen Hauses Geschwister hat, ob sein Vater noch am Leben ist, wieviele Zimmer sem Haus hat, usw. Diese Angelegenheiten sind f也r die Handlung des Mえrchens nicht wichtig, deshalb braucht der Erzahler davon nicht zu berichten. Er verzichtet auf rえumliche, zeitliche und auch seelische Tiefendarstellung. Er entwirklicht dabei alle und zeichnet mcht plastisch, son‑

dern linienhaft. So wie die Linie der Handlung klar und zielsicher ist, so sind die Dinge und die Figuren des M云rchens scbarf umrissen. In unserem Marchen kommen deshalb unienscharfe Dinge vor wie ein Buch, ein Tannenbaum, ein schones Kleid, wえhrend in der Sage ein variables Ding zentral ist; der Rahm.

Erne spezifisch m云rchenhafte Daistellungsform ist die dreimalige Wiederholung der Tanzszene. Jedesmal, wenn Aschengriibel von dem Tanzplatz zur Tanne zurnckkommt, erschemt das M云nnchen: Das erste Mai gruBt es freundlich, das zweite Mai noch freund‑

hcher als zuvor und beim dritten Mai leuchten die Augen des winzigen M云nnchens vor Freude. Bei dieser Haltung des Mえnnchens handelt es sich nicht um die realistische

Beschreibung des Jenseitigen, sondern um die im Marchen stilisierte Figur. Solcbe va‑

riierende Wiederholung, in diesem Fall die Steigerung, entspricht genau der immer akti‑

veren Haltung des vornehmen Jdnglings gegenuber der Heldin (1. Einladung zum Tanz 2. KuB 3. Werbung) und la'Bt beim MarchenhSrer einen ornamentalen Eindruck entstehen.

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46 Takeshige Tak苫HARA

VII. Darstellungsart der Dinge, Menschen und der Umwelt im jap. Marchen

Wie ist das japanische M云rchen erzえhit? Hier im Text fallen die Schilderungen der Innenwelt der beiden Figuren auf: z. B. sich furchten, verlangen, fordern, bemerken, voller Schrecken, gierig, mnde, ahnungslos, zornig, usw. In diesen Schilderungen zeigt sich eine starke Gefuhlsspannung zwischen dem Helden (‑Pferdetreiber) und der Jenseitigen (‑Ombaba). Diese Beschreibung der Innenwelt der Menschen ist selbstverst云ndhch, darum auch der Sage gem云8.

Aber es gibt noch eine andere Erzえhlweise: In diesem Text findet sich sonst nirgends eine n云here Beschreibung. Wir konnen uns nicht genau vorstellen, wie die Onibaba‑Hexe aussieht, wie groB ist, welche Kleider sie tr.畠 Im Text wird zwar erz云hit: ,,Die Alte beschえftigte sich gieng mit dem PferdH, aber man kann daraus nicht schheBen, auf welche

Weise die Hexe das Pferd gegessen hat, ob sie es entweder ganz hinuntergeschluckt, oder

ob sie es vor dem Verzehren in St凸eke geschlagen hat. Wir konnen auch nicht wissen,

wie die Onibaba reagierte, als sie mit kochendem Wasser begossen wurde, ob sie laut

aufgeschrien hat, oder ob sie ohne Aufschrei stirbt. Der Erz,云hler des Texts erz云hit nicht von diesen Angelegenheiten, weil sie f也r die Handlung des Helden nicht wichtig sind.

Wenn man auszumalen beganne, wiirde der Horer die Brutalitat der Wirklichkeit fuhlen.

Dieser Verzicht auf ein naturnahes Schildern ist dem M畠rchen gem云B.

In diesem Text kommen an mehreren Stellen variierte Wiederholungen von Ausdriicken vor: z. B. Lieber Pferdetreiber! Gib mir von den getrockneten Fischen! ‑Lieber Pferde‑

treiber! Gib mir doch das Pferd!; Ich bin miide, vie】leicht weil ich die getrockneten Fische gegessen habe. ‑ Ich bin mude, vielleicht weil ich ein Pferd gegessen habe; Da sah er etwas WeiBes in der Feme. ‑Zum Gluck sah er in weiter Feme ein Licht. Im Text linden sich auch Steigerungen: z. B. die Onibaba‑Hexe ver】angt zuerst die getrok‑

kneten Fische, dann das Pferd, zuletzt den Pferdetreiber selbst. Die Onibaba verbrennt sich zuerst den Mund mit den gebratenen Steinen und dann wird ihr ganzer KSrper mit

kochendem Wasser verbrannt. In beiden Beispielen h云It die Steigerung das Achtergewicht fest; Steigerng und Wiederholung sind marchengem云Be Ziige.

Nach der Darstellungsart zu urteilen, wird das japanische Volksm云rchen im europ云ischen

Gattungsbegriff fur eine Zwischenform von Sage und Marchen gehalten, weil es einerseits

eine sagengem云Be Erz:云hlweise (spannende Beschreibung der Innenwelt des Menschen und des Jenseitigen) und anderseits eine marchengem云Be (Verzicht auf das Ausmalen,

Wiederholung, Steigerung mit Achtergewicht, usw.) aufweist.

VIII. Zusammenfassung

Wie ich zu zeigen versuchte, gibt es in Europa zwischen der Sage und dem Marchen entscheidende Unterschiede. Die Konsequenz des Stils, mit der jede der beiden Gattun‑

gen den Menschen, den Jenseitigen, die Gaben und das Geschehen darstellt, ist unver‑

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Das Volksmarchen und die Sage in Europa und Japan 47

kennbar. Im japanischen Volksmarchen ist aber die Konsequenz des Stils nach dem europえischen Gattungsverst云ndnis verwischt.

,,Der Pferdetreiber und die OnibabaH ist eines der bekanntesten japanischen M云r‑

chentypen.'61 Obwohl ,,Der Pferdetreiber und die Onibaba" in Japan als Volksm云rchen verbreitet ist, wiirde der Europ云er es aus den oben erw云hnten Grunden fur eine Sage halten.

In manchen Aspekten (so etwa m der Begegnungsweise des Helden mit dem Jenseiti・

gen, in der Wirkungsart der Gabe, in der Darstellungsart der Dinge, Menschen und der Umwelt) tr.云gt das japanische Volksmarchen wohl emerseits Z凸ge des europ云ischen Volks・

m云rchens, anderseits aber die der Sage. W畠hrend das europ説ische Volksm云rchen alle Elemente und Motive isoliert und entwirklicht und sie wieder m云rchenhaft zusammenstellt, damit der Held zum Ende gl凸cklich werde, so schemt mir das japamsche Volksmarchen eher wie ein Gew云chs zu sem, das sich aus der Sage entwickelt hat. Deshalb kam ich zur Auffassung, daB man das japanische Volksmえrchen als ,,Zwischenform von europaischer Sage und M云rchenH, oder a】s ,,Ubergangsform von der Sage zum MarchenH bezeichnen konnte.

Literaturnachweis

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dung der ieiden Formen, Diss., Bern 1943.

‑Das europdische Volksmarchen. Form und Wesen, Munchen 61978.

‑Volksmarchen und Volkssage. Zwei Grundformen Erzdhlender Dichtung, Bern und Munchen 31975.

‑Marchen. Stuttgart '1979.

Ozawa, Toschio, Japanische Marchen Frankfurt/Mam 1974. (‑ Ozawa) Poser, Therese, Das Volksmdrchen. Theorie‑Analyse‑Didaktik, Munchen 1980.

Sutermeister, Otto, Kinder‑und Hausmdrchen au% der Schweiz, Aarau 21873. (‑Sutermeister)

Anmerkungen

( 1 ) Sutermeister S. 101 1 Aus dem Text Nr. 32. ,,Die Nidelgrethè̀

(2) Sutermeister S. 28ff. Aus dem Text Nr. 9. ,,Aschengriibel"

(3) A.a.0.

(4) Ozawa S. 28f. Aus dem Text Nr. 9. ,,Der Pferdetreiber und die Onibaba"

(5) A.a.0.

( 6 ) In dem Buch ,,Nihon‑Mukashi‑Banashi‑Taisei" (‑Anthologie von japanischen Volksm云rchen, hrsg.

von Keigo Seki) habe ich davon insgesamt 208 Varianten gezahlt.

参照

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