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Industrialisierung und gesellschaftlicher Wandel

der Stadt Kon von 1814 bis 1914

Hirotomo TERANISHI

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Industrialisierungsprozess und dem gesellschaftlichen Wandel in der Stadt Köln. Die Untersuchung umfasst die Zeitspanne zwischen dem Beginn der preuf3ischen Herrschaft 1814 und dem Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914. In dieser Arbeit soil versucht werden, die Zusammenhange zwischen Urbanisierung, Industrialisierung und sozialer Entwicklung darzulegen.

Im zweiten Kapitel wird deshalb die Bevolkerungsentwicklung und die raumliche Entwicklung der Stadt beschrieben. Dabei werden die Grunde fur die starke Industrialisierung der Vororte sowie fur deren Eingemeindung genannt.

Im dritten Kapitel wird der Industrialisierungsprozess in einzelner Zeitabschnitte gegliedert. Fur jede Periode werden die charakteristischen Merkmale der wichtigsten Industriezweige dargestellt und anhand einiger Unternehmen erlautert. Das stark expandierende Baugewerbe, das neben dem metallverarbeitende Gewerbe der bedeutendste Wirtschaftszweig gewesen ist, wurde nicht mit in die Betrachtung einbe- zogen, da es handwerklich organisiert blieb. Zur besseren Ubersicht und aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der Stadt und ihren Vororten, werden die wichtigsten Vorortunternehemen schon vor ihrer Eingemeindung der Kolner Industrie zugeordnet.

Das vierte Kapitel befasst sich mit dem gesellschaftlichen Wandel. Zunachst werden die Veranderungen in der Sozialstruktur anhand des Charakteristikums der Berufszugehorigkeit betrachtet, da hierdurch Ruckschlusse auf die materielle und immaterielle Situation der sozialen Schichten moglich sind. Hier ist zu beachten, dass die Quellenlage bis zum Jahre 1880 aufgrund fehlender Berufszahlungen erschwert ist.

Desweiteren werden die Wohnungsverhaltnisse in der Stadt untersucht, die einen wesentlichen Bestandteil der sozialen Frage darstellen. Zum Schluss werden die durchgefuhrten sozialpolitischen Maf3nahmen aufgefiihrt, um zu dokumentieren, wie die

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Tabelle 1: Die Entwicklung der Bevolkerungszahl in Koln auf

der j eweiligen Gemarkungsflache (1816-1914)

Jahr Einwohnerzahl 1816

1817 1819 1822 1825 1828 1831 1834 1837 1840 1843 1846 1849 1852 1855

49,276 52,954 56,420 56,527 59,049 61,059 65,953 67,302 72,237 75,858 83,418 90,246 94,789 101,091 106,852

Jahr 1858 1861 1864 1867 1871 1875 1880 1885 1890 1895 1900 1905 1910 1914

hnerzahl 114,477 120,568 122,162 125,172 129,233 135,371 144,772 161,524 281,650 321,561 372,552 428,751 516,540 635,747

Vgl. K. van Eyll, Wirtschaftsgeschichte Kolns, S.167, F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.281, G.Neuhas, Bevolkerungsentwicklung, S.271

Stadtverwaltung den gesellschaftl ichen Problemen entgegenwirkte.

2 Die Urbanisierung Kolns

2.1 Die Bevolkerungsentwicklung (1814-1914)

Mit dem Einmarsch preuf3ischer and russischer Truppen in Koln aml4. Januar 1814 endete die franzosische Fremdherrschaft am Rhein. Seit dieser Zeit liegen als zuverlassig anzusehende Volkszahlungsergebnisse vor. Diese Zahlungen wurden im Winter durchgefiihrt and erfassten die ortsanwesende Bevolkerung. 1 Demnach betrug die Einwohnerzahl Kolns im Jahre 1817 52,954. Es erfolgte eine fortwahrende Aufwrtsent-

1 Vgl

. K. Jaspers, Die Urbanisierung der Stadt Koln, hrsg. v. Rheinisch-Westfalischen Wirtschaftsarchiv zu Köln, Köln 1977, S.37; G.Neuhaus, "Die Bevolkerungsentwicklung der Stadt Koln in der neueren Zeit", in:Handbuch von Koln, hrsg.v. H.Wieger, unveranderter Nach- druck d. Ausgabe v. 1925, Koln 1979, S.271

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wicklung, in derenVerlauf die Bevolkerungszahl 1834 auf 67,302, 1852 auf 101,091, 1871 auf 129,233 and 1880 auf 144, 772 anstieg. Dieses bedeutete innerhalb von 63 Jahren eine relative Zunahme der Bevolkerung urn ungefahr 273,39%. 2

Allerdings erfolgte dies Bevolkerungszunahme auf einer unverandert grof3en Flache des Stadtgebietes in Hohe von 770 ha. Jedoch ist hier zu berucksichtigen, dass nur 405 ha innerhalb der alten Stadtmauern lagen and nur dieser Teil besiedelt werden konnte. 3 Dieses fiihrte zu einer Erhohung der Bevolkerungsdichte von 135.7 Einwohnern pro ha auf 357.5.

Diese Bevolkerungszunahme basiert auf verschiedenen Grunden. Die Stadt verzeich- nete in dieser Zeitspanne einen sehr hohen Uberschuss der Lebendgeborenen uber die Sterbfalle sowie hohe Wanderungsgewinne, die jedoch nur bis 1861 anhielten. So betrug der Geburtenuberschuss von 1821 bis 1861 31,943, der Wanderungsuberschuss 33,270.

In diesem Zeitraum wurden, besonders ab den 1840er Jahren, auf grof3en Freiflachen zwischen der mittelalterlichen Besiederung and der Befestigung neue Wohngebaude errichtet. 4

Jedoch war ab dem Ende der 1850er Jahre der verfiigbare kaum fur neue Wohngebaude so knapp geworden, dass der Bevolkerungszuwachs innerhalb der alten Gemarkungsflache nicht mehr aufgenommen werden konnte. Der Geburtenuberschuss betrug zwischen 1861 and 1880 24,494; ihm stand ein Wanderungsverlust von 290 Menschen gegenuber.5

Somit war das Kolner Stadtgebiet zu klein geworden, urn die expandierende Bevolkerung aufnehmen zu konnen. Da auch kein Raum fur Industrieansiedlungen zur Verfugung stand, wahlte diese ihre Standorte in den Vororten, insbesonders in den linksrheinischen. Diese verzeichneten gleichzeitig hohe Wanderungsgewinne, da auch die Arbeiterbevolkerung hier ihren Wohnsitz wahlte.6

Aus diesen Grunden wurde die Forderung nach Erweiterung des Stadtgebietes immer dringender. Im November 1883 erfolgte eine erste Stadterweiterung, die einen Flachenzuwachs von 236 ha erbrachte. Auf diesem Gebiet wurde die sogenannte Neustadt errichtet, die von 1880 bis 1914 einen Bevolkerungszuwachs von 124,293 Einwohnern erbrachte. Im gleichen Zeitraum stieg die Bevolkerung in der Altstadt auf 154,909 Kopfen.

Zwischenzeitlich war der bevolkerungszuwachs hier hoher, aber infolge der Citybildung, d.h. der kontinuierlichen Umwandlung des Grof3stadtkerns von Wohnviertel in Verkehrs

2 Vg1. 3Vgl . 4 Vgl . 5Vgl . 6 V gl.

bis 1914 S.281f. ;

G.Neuhaus, a.a.O., S.271 K.Jaspers, a.a.O., S.22 G.Neuhaus, a.a.O., S.271f.

ebenda,S.272

F.-W.Henning, Die Stadterweiterung unter dem Einfluss der Industrialisierung (1871 ), in:Zwei Jahrtausende Kolner Wirtschaft, Bd.2, hrsg.v. H.Kellenbenz, Köln 1975, K.Jaspers, a.a.0., S.39 ; G.Neuhaus, a.a.O., S.272ff.

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and Geschaftsviertel, war die Entwicklung rucklaufig. 7

Insgesamt stieg die Bevolkerung in Alt-Köln, d.h. Altstadt and Neustadt zusam- men, zwischen 1880 and 1914 von 144,772 auf 279,202 Einwohner. Dabei betrug der Geburtenuberschuss von 1880 bis 1910 73,370. Im gleichen Kontinuum war ein Wanderungsgewinn in Hohe von 42,451 zu verzeichnen, der jedoch seit 1900 rucklaufig war.8 Diese Ruckgang trat als Reperkursion zur fortschreitenden Bebauung and Bevolkerungsanstieg in den Vororten auf. Beides entwickelte sich nach 1880 entsprechend rasch.9

Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit den industrialisierten Vororten, kam es 1888 zu einer zweiten Stadterweiterung. Ebenso wie bei den weiteren Stadterweiterungen der Jahre 1910 and 1914 waren wesentliche Bevolkerungszuwachse die Folge,10 die ca. 85,600, 33,998 bzw. 81,699 Einwohner betrugen.11 Damit erhohte sich die Gemarkungsflache um 18,667 ha auf nunmehr 19,673 ha.12 Auf dem jeweiligen Stadtgebiet erhohte sich die Bevolkerungszahl im Zeitraum 1880 bis 1914 von 144,772 auf 635,747 Einwohner. Aufgrund leicht divergierender Quellenangaben laf3t sich ein Geburtenuberschuss in Hohe von ca.164,000, ein Wanderungsgewinn von ca. 125,000 and eine Eingemeindungszahl von ca. 201,000 Kopfen feststellen.13

2.2 Die Stadterweiterungen

Seit 1794 bildete der Bischofsweg, der durchschnittlich 500 m vor der Stadt lag, die Grenze des Stadtgebietes, welches eine Flache von 770 ha umfasste. Davon entfielen 405 ha auf das Wohngebiet zwischen der Stadtmauer and dem Rhein, 197 ha auf die Feldmark zwischen der Stadtmauer and dem Bischofsweg, 99 ha auf die Festungsumwallung and 68 ha auf das Gebiet zwischen Rheinufer and Strommitte.14

Nachdem die Rheinprovinz 1815 auf dem Wiener Kongress Preuf3en zugesprochen wurde, wurde die Stadt zur starksten Festung im Westen des Konigreiches ausgebaut.

Das Gebiet zwischen der 700 Jahre alten Stadtmauer and den vorgelagerten Forts durfte aufgrund rayongestzlicher Bestimmungen nicht bebaut werden.15 Durch die ab den 1840er Jahren steigende Bevolkerungsentwicklung and steigendem Wohnbedarf wurden

7Vgl . K.Jaspers, a.a.O., S.40ff.

8Fiir die Zeitspanne zwischen 1910 and 1914 liegen keine Angaben bezuglich der G eburten- und Wanderungsentwicklung vor. Vgl. auch G.Neuhaus, a.a.O., S.274f.

9VgI . F.-W.Henning, a.a.O., S.272f. ; K.Jaspers, a.a.O., S.39 ; G.Neuhaus, a.a.O., 5.275 1° Vgl . Vgl. F.-W.Henning, a.a.O., S.272f. ; K.Jaspers, a.a.O., S.39

11Vgl . K.Jaspers, a.a.O., S.39f.

12 Vgl

. F.-W.Henning, a.a.O., S.274ff.

13 Vgl . ebenda, S.281ff. ; G.Neuhaus, a.a.O., S.274f.

14VgI

. K.van Eyll, Wirtschaftsgeschichte Kolns vom Beginn der Preuf3ischen Zeit bis zur Reichsgrundung, in: Zwei Jahrtausende Kolner Wirtschaft, Bd.2, S.170

15Vg1. ebnda ; K.Jaspers, a.a.O., S.21

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die Festungsmauern zu einer engen Fessel, die die weitere Stadtentwicklung behinderte.

Die Kolner Gemarkungsflache war 1841 die zweitkleinste aller preuf3ischen Stadte mit mehr als 50,000 Einwohnern.16

Da die okonomischen and sozialen Interessengebiete der Stadt nicht mehr mit der Gemarkungsflache ubereinstimmten, wurden ab 1883 Stadterweiterungen vorgenommen.

In deren Verlauf wurde die Agglomerationsbevolkerung immer weiter in die politische Grof3stadtgemeinde integriert. Somit forderten neben dem Wohnbediirfnis auch die industriellen and okonomischen Interessen die eingemeindungen der industriellen Vororte.17

Die erste Stadterweiterung 1883 umfasste das 236 ha grof3e, von der Festungsanlage umgebene Rayongebiet, welches unbewohnt war. Somit wurden Teile der linksrheinis- chen Burgermeistereien Longerich, Rondorf and Miingersdorf sowie der Stadt Ehrenfeld politisch in das Kolner Stadtgebiet aufgekommen.18

1888 erfolgte die flachenmaf3ig grof3te Erweiterung. Durch Eingemeindung der Stadte Ehrenfeld and Deutz, der Gemeinden Longerich, Miingersdorf, Kriel, Nippes and Poll sowie der teilweisen Eingemeindung der Gemeinden Rondorf and Efferen wurde die Gemarkungsflache urn 10,100 ha auf 11,106 ha vergrof3ert. Köln war durch die Eingemeindung der rechtsrheinischen Gebiete Deutz and Poll die erste deutsche Grof3stadt, die ihre Gemarkungsflache auf die gegenuberliegende Rheinseite ausdehnte. Dieses erfolgte aus macht-, wirtschafts- and verkehrspolitischen Griinden.19

Die dritte Stadterweiterung 1910 nutzte die Standortvorteile der rechtsrheinischen Vororte Kalk and Vingst aus, die sich als Industriesiedlungen bzw. Freizeit- and Erholungsgebiet auszeichneten. Das Stadtgebiet umfasste nunmehr 11,705 ha. 2°

Die vierte Stadterweiterung 1914 umfasste die Stadt Mulheim and die Biirgermeisterei Mehrheim mit einer Flache von 7,968 ha. Damit war Köln mit einer gemarkungsflache von

19,673 ha die flachenmaf3ig grate Stadt des Kaiserreiches. Durch die Eingemeindung Mulheims wurde die wirtschaftliche Kraft Kolns verstarkt and die Verbesserung des Nahverkehrs sowie der Energieversorgung gefordert. Durch die Einge- meindung Mehrheims erlangte Köln weiteres Industrieland, preiswertes Wohngebiet and zusatzliche Freizeit- and Erholungsgebiet. 2 1

16Vgl

. K.Jaspers, a.a.O., S.21f. G.Neuhaus, Die Stadterweiterungen Kolns, in:Handbuch von

Koln, S.255f.(Im folgenden zitiert als Stadterweiterungen)

17Vgl. K.Jaspers, a.a.O., S.22f.; B.Kuske, Die Groflstadt Koln als wirtschftlicher and sozialer Korper, Köln 1928, S.2f.

18Vgl. K.Jaspers, a.a.O., S.29 19 Vgl. ebenda, S.30

20Vgl. F.-W.Henning, a.a.O., S.274 ; K.Jaspers, a.a.O., S.31f.

21Vgl. F.-W.Henning, a.a.O., S.274 ; K.Jaspers, a.a.O., S.32ff.; A.Stelzmann, Illustrierte Geschichte der Stadt Köln, hrsg.v. R.Frohn, Köln 1958, S.296 f.

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Tabelle 2 : Die Entwicklung des Kolner Stadtgebietes (1814-1914)

Jahr Gebietstand bzw. -veranderung Neues stadtgebiet

1814 Seit der Erweiterung urn das Gebiet bis

zum fruheren Bischofsweg im Jahre 1793 770 ha

12.11.1883 Erste Stadterweiterung(nur linksrheinisch)

a) von Rondorf48 ha

b) von Mungersdorf34 ha

c) von Ehrenfeld83 ha

d) von Longerich65 ha

Zusammen

Abtretung an Mungersdorf and Rondorf

230 ha 8 ha dazu anteilige Rheinflachen

222 ha 14 ha

gesamter Flachenzuwachs 236 ha 1,006 ha

01.04.1888 Zweite Stadterweiterung

1. Linksrheinische Eingemeindungen

a) Rondorf(teilweise) b) Efferen(teilweise) c) Kriel

d) Mungersdorf e) Ehrenfeld f) Nippes g) Longerich

999 ha 179 ha 774 ha 2,472 ha 382 ha 772 ha 3,000 ha Zusarnrnen

dazu anteilige Rheinfläche

8,578 ha 212 ha

linksrheinischer Zuwachs 8,790 ha

2. Rechtsrheinische Eingemeindungen

a) Deutz b) Poll

573 ha 587 ha Zusammen

dazu anteilige Rheinflache

1,160 ha 150 ha

rechtsrheinischer Zuwachs 1,310 ha

gesamter Flachenzuwachs 10,100 ha 11,106 ha

01.04.1910 Dritte Stadterweiterung nur rechtsrheinisch

a) Kalk b) Vingst

192 ha 407 ha

Flachenzuwachs 599 ha 11,705 ha

01.04 1914 Vierte Stadterweiterung nur rechtsrheinisch

a) Mehrheim b) Miihlheim

Flachenzuwachs

7,086 ha 882 ha

7,968 ha 19,673 ha

Vgl. K.Jaspers, Die Urbanisierung der Stadt K Westfalischen Wirtschaftsarchiv zu Köln, Köln

5ln, hrsg. v. Rheinisch- 1977,S. 256

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3 Die Industrielle Entwicklung Kolns

3.1 Das vorindustrielle Kan (vor 1848)

In der ersten Halfte des 19.Jahrhunderts war Köln eine Festungs- und Garnisionsstadt, sodass innerhalb der Stadt der industriellen Entwicklung Fesseln angelegt wurden. Aus diesem Grunde wurden die Industriewerke in den KOlner Vororten errichtet oder spater

dorthin verlegt.22 Ausnahmen bildeten die Stollwerkschokoladenfabrik, die sich in Alt- Köln ansiedelten.23 Wesentliche Impulse erhielt die KOlner Industrialsierung aus der Ubernahme neuer technischer Entwicklungen. So wurde die Dampfmaschine ab 1828 in der Getreidemiihle der Gebr.Jacobi, ab 1834 in der Baumwollspinnerei und ab 1835 in der Mob elfabrikation eingesetzt .24

FOrderlich war auch die Entwicklung und der Ausbau des Eisenbahnwesens gegen Ende der 1830er Jahre. Dieses verbesserte die Verkehrslage der Stadt und begunstigte die Ansiedlung der Fabriken der Metallverarbeitung und des Maschinenbaus in denVororten,

so z.B. die Eisenbahnwagenfabrik van der Zypen & Charlie'. in Deutz(1845). Das Eisen- bahnnetz wurde ausgebaut durch die Rheinische-Eisenbahn-Gesellschaft(1837 gegr.), die

KOln-Mindener-Eisenbahn-Gesellschaft und die Bergisch-Markische-Eisenbahngesellschaft

(beide 1843 gegr.), an denen auch KOlner Unternehmer beteiligt waren. 25

Ebenso entwickelten sich industrielle Betriebe aus den Zweigen des Ortlichen Hand- werks: die Drahtseilfabrikation und Kabelherstellung aus der Hanf-und Flachsseilerei

(Felten & Guilleaume, 1826 gegr.), Machinenbau und Eisengief3erei aus Reparaturwerk- statt sowie Schlosserei(Hiilsberg, 1834 gegr., Esser, 1838 gegr.), die Schokoladenherstel- lung aus der Konditorei (Stollwerk, 1831 gegr.).26

Auch die traditionelle Bedeutung Kolns als Handelsplatz trug zur fortschreitenden Industrialisierung bei. Im Mittelpunkt standen hier die Entwicklungen, die sich aus dem Handel mit Drogen und Farbwaren bzw. mit Kolonialwaren ergaben. Sie fuhrten

zur Errichtung der chemischen Industrie (Layendecker & Cie, 1843 gegr.) bzw. der Zuckerraffinerien (vom Rath & Bredt, 1834 gegr., Langen, 1849 gegr.).27Letztere ent-

wickelten sich in den 30er Jahren zu Grof3unternehmen und gingen 1836 durch den Einsatz 22Vgl

. H.Kellenbenz u. K.van Eyll, Die Geschichte der unternehmerischen Selbstverwaltung in KOln 1797-1914, hrsg.v.Rheinisch--Westfalischen Wirtschaftsarchiv zu KOln, Kaln 1977, S.66;

H. Mayer, KOlner Industrie, in:Handbuch von KOln S.423; P.Steller, Die KOlner Industrie, Köln 1903, S.2

23Vg1. P.Steller, a.a.O., S.2 24Vg1. K.van Eyll, a.a.O., S.184 25Vg1

. R.Eggermann, Entwicklung und Bedeutung des Verkehrs in KOln, in:Handbuch von KOln, S. 484 f. ; H. Mayer, a.a.O., S.426 ; Wirtschaftschronik, in:Handbuch von KOln, S. 532 ff.

26Vg1 . K.van Ey11, a.a.O., S.185, S.190 f. ; wirtschaftschronik, S.529 f.

27Vg1

. K.van Ey1l, a.a.O., S.185, S.190 f. ; P.Steller, a.a.O., S.22

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42 ]IJ A11 {E fg- Vol. XX VII, No.1 • 2

des Vakuumskochers zur industriellen Produktion iiber. Als neue Industrie entwickelte sich dagegen die Gummiindustrie, in der Ferdinand Kohlstadt 1843 die Produktion von Gummibandern aufnahm. 28

In der Kolnisch-Wasser Herstellung ragten vor allem die Firma Farina (1709 gegr,), die

ab 1837 eine Korkmaschine einsetzte, sowie die Unternehmen von Ferdinand Miilhens

(1792 gegr.) and der Klosterfrau Maria Clementine Martin (1825 gegr.) heraus. Aller-

dings beschaftigten diese Firmen zur Wahrung des Produktiongeheimnisses nie mehr als 10 Arbeiter. 29

Der Bergbau wurde auf dem Kolner Stadtgebiet nicht betrieben. Allerdings beteiligten sich Kolner Unternehmer and Banken finanziell stark am Steinkolebergbau im Ruhrgebiet and am Erzbergbau. Ebenso wurde in Kolner Maschinenfabriken fur den Bergwerks- bedarf produziert.30 In diesem Zeitabschnitt wurde die Kolner Industrie lediglich von

der Agrarkrise 1846/48, ausgelast durch die Kartoffelkrankheit, getroffen. Sie fuhrte

besonders in dem Textilgewerbe zu Unterkonsumtion and Arbeitslosigkeit. Hierdurch wurde der Industrialisierungsprozess hinausgezogert. 31

3.2 Der Drchbruch zur Industrialisierung (1848-1870)

In der Zeit zwischen 1848 and 1870 erfolgte eine starke Industrialisierung des Kolner Wirtschaftsraumes, die zur Entstehung einiger weltbedeutender Unternehmen fiihrte.

Besonders die Jahre zwischen 1853 and 1856 fiihrten zu einer ersten wirklich industriellen Grunderzeit.32 Ebenso bildete die wirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Basis fur die starke Bevolkerungszunahme, da sie neue Arbeitsplatze and somit hohere Wanderungs- gewinne mit sich brachte. Durch den Ausbau bestehender and Bildung neuer Industrien, vor allem in den Vororten, konnte in diesen Jahren das Produktionsspektrum verbreitert werden. 33

Dieses wirkte sich wahrend der ersten Weltwirtschaftskrise 1857 positiv aus. Aufgrund der sich auspragenden Diversifikation uberstand die Kolner Wirtschaft, im Vergleich mit den iibrigen deutschen Gebieten, die Krise relativ unbeschadet. Es wurden lediglich 34 Konkurse registriert. 34

Als bedeutendster Zweig bildete sich die metallverarbeitende Industrie heraus. 1856 griindete Gustav Mevissen in Bayental die Kolnische Maschinenbau-AG, die auch den

28Vg1

. K.van Eyll, a.a.O., S.185 ff.

29a.a.O., S.196 30a.a.O., S.187 31a.a.O., S.181 32a.a.O., S.255

33Vg1 . K.Jaspers, a.a.O., S.71 ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.72 f.

34 Vgl K

.van Eyll, a.a.O., S.255 f.

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June 1998 Industrialisierung und gesellschaftlicher 43

Bruckenbau und den Eisenbahnwagenbau betrieb.35 Im gleichen wurde in Kalk die

"Maschinenfabrik fur den Bergbau von Sievers & Co." gegrundet (1870 in Maschinenbau AG Humboldt umgewandelt ), die Walzmuhlen, Steinbrecher und Zerkleinerungsanlagen

herstellte. Die 1864 gegrundete Firma N.A. Otto & Co. begrundete drei Jahre spater mit der Erfindung des "Otto-Verbrennungsmotors" den Weltruf des Kolner Motorenbaus. Die Hanfseilerei Felten & Guilleaume errichtete 1853 die erste kontinentale Drahtverzinkerei und produzierte Telegraphenkabel. Drei Jahre spater ging sie zur industriellen Ferti- gung uber und hielt seit den 60er Jahren out dem Kontinent die Monopolstellung in der Kabelproduktion. Die Waggonfabrik van der Zypern & Charlier erlangte auf dem Gebiet des Eisenbahnwagenbaus Bedeutung. 36

Stark vertreten war in Köln auch die chemische Industrie, die Ende der 50er Jahre zur industriellen Produktion iiberging. Im Gegensatz zu den Grof3unternehmen der Metalverarbeitung entstanden hier leistungsfahige Mittelbetriebe. In den 60er Jahren entwickelte sich Koln zum bedeutendsten Zentrum der selbstandigen Mineralfarbeindus- trie sowie der chemischen Schwerindustrie. 1858 nahm die Firma Vorster & Gruneberg in Kalk die Produktion von Kalisalpeter und Chlorkalium auf. 1864 und 1865 errichtete sie weitere fur Erzeugung von schwefelsaurem Ammoniak in Raderberg und Nippes. Nach 1854 nahmen die Farbwerk W.A.Hospelt und die Firma W.Leyendecker & Cie. die Bleiweif3-und Mennigefabrikation auf. 37

Einen weiteren Aufschwung erhielt das Eisenbahnwesen durch den Ausbau des Strecken- netzes. In den 60er Jahren wurde Kaln zum wichtigsten Eisenbahnknotenpunkt. Dieses begunstigte nicht nur die Kolner Waggonfabriken, sondern auch andere Kolner Industriebetriebe, die auf diese Weise ihr Absatzgebiet teilweise bis in das Ausland aus- dehnen konnten.38

3.3 Der Ausbau der Industriezweige(1871-1914)

In diese zweite Industrialisierungsphase fielen die Eingemeindungen der industriellen Vororte Bayenthal, Deutz, Ehrenfeld und Nippes, die Zunahme der Zahl und Grof3e der Betriebe sowie der industriellen Beschaftigten zur Folge hatte. Das Handwerk blieb jedoch weiterhin bestehen, auch wenn die Handwerkerdichte von 60 Handwerker je 1,000 Einwohner auf 45 sank.39

35Vg1 . K.van Eyll, a.a.O., S.190 ff. ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.69

36Vg1 . K.van Eyll, a.a.O., S.190 ff. ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.69 f. ; A.Stelzmann, a.a.O., 5.274 ff.

37Vg1

. K.van Eyll, a.a.O., S.190 ff. ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.69 f. ; A.Stelzmann, a.a.O., S.274 ff.

38Vg1

. K.van Eyll, a.a.O., S.222 f. ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.75 1.

39Vg1 . K.Jaspers, a.a.O., S.80 ; F.-W.Henning, Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, 6.Auflage, Paderborn 1984, S.203 ; ders. Stadterweiterung, S.286 f., S.310

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Desweiteren konnte das Warenangebot verbreitert and die Produktivitat pro Arbeits- kraft erhoht werden. Aufgrund des breiten Produktionsspektrums konnte die Kolner Industrie den technischen Fortschritt in dieser Periode mitvollziehen.40 Ebenso gingen von Koln wesentliche Impulse fur die okonomische entwicklung europaischer Gegenden aus. Die expandierenden internationalen Wirtschaftsverflechtungen fuhrten in Köln zu einer bedeutenden Produktivitatssteigerung.41

Die metallverarbeitende Industrie hatte in Koln die zentrale Stellung inne, sodass sich die hier erreichte Verdoppelung der Arbeitsproduktivitat fur die Stadt besonders stark auswirkte. Weitere Vorteile ergaben sich, neben der steigernden Zahl der Ar- beitsplatze, aus der Breite des Produktionsprogramms. Aufgrund dieser Vielseitigkeit konnten Kriseneinfli sse gemildert werden. Die Gewerbezahlung des Jahres 1907 erfasste in dieser Branche 39 von 44 Gewerbearten.42

Am Ausbau dieses Industriezweige waren hauptsachlich Unternehmungen beteiligt, die vor 1871 in den Vororten errichtet wurden. Die eindruckvollste Entwicklung vollzog die Firma N.A.Otto & Co., die seit 1871 als Gasmotorenfabrik Deutz AG firmierte. Durch zahlreiche Vrebesserungen konnte der Ottomotor in verschiedenen Ausfiihrungen erzeugt and die Produktion ausgeweitet werden, so class dieser die Dampfmaschine verdrangte.

Durch Umstellung des Gasmotors auf Benzin(1886) and Diesel(1908) wurde die fuhrende

Stellung ausgebaut. Der Lizenzbetriebe im Ausland verstarkte diese.43 Dagegen ging bei der Kolnischen Maschinenbau AG der Absatz nach 1876 zuruck. Erst 1898 verbesserte sich die Ertragslage des Unternehemens, als ein Eisenbahnanschluss eingerichtet wurde.

Nach Verkauf der Fabrik and Produktionsumstellung konnte ab 1909 der Umsatz wieder deutlich gesteigert werden.44 Auch die Maschienenbau AG Humboldt geriet Mitte 70er Jahre infolge der Grunderkrise in Absatzschwierigkeiten. Durch Umgriindung in die Maschinenbau-Anstalt Humboldt wurde 1884 die Verbindung zur Gasmotorenfabrik Deutz geschaffen. Das Produktionsprogramm wurde durch die Herstellung von Dampftur-

binen(1894) and Lokomotiven(1897) erweitert. 1902 wurde die Fabrik von dem Kalker Unternehmen Stiller & Dubois ubernommen.45 Das Unternehmen van der Zypern &

Charlier konnte nach dem Anschluss Deutz an das Eisenbahnnetz seine Produktion

40Vgl. F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.310 41 Vgl . ebenda,S.349 f.

42Vg1. ebenda,S.294 ; G. Neuhaus, Die Stadt Coln im ersten Jahrhundert unter Preuflischer Herrschaft, Bd. 1., T.2, Die Entwicklung der Stadt Coln von der Errichtung des Deutschen Reiches bis zum Weltkrieg, hrsg. v. d. Stadt Coln, Coln 1915, S.291

43Vg1

. F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.295 f. ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.157;

P.Steller, a.a.O., S.15 ff.

44Vg1. F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.295 ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.157;

P.Steller, a.a.O., S.17 f.

45Vg1

. F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.295 ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.157

(11)

June 1998 Industrialisierung und gesellschaftlicher 45

ausdehnen.46

Innerhalb der metalverarbeitenden Industrie entwickelten sich die Kabelproduktion und die Elektroindustrie zu einem neuen Industriezweig. Die europaische Monopol- stellung der Kabelfabrik Felten & Guilleaume fuhrte dazu, dass sie vor dem ersten

Weltkrieg zum grof3ten Arbeitsgeber der Stadt wurde (6,000 Beschaftigte ). Durch

Reorganisation des Absatzes, d.h. Grundung auslandischer Tochteruternehmen und Kapitalbeteiligungen an Abnehmerfirmen, konnte die Monopolstellung gefestigt werden.47 Demgegenuber fuhrte bei der "Helions AG fur elektrisches Licht und

Telegraphenbau" (1893 gegr.), dem fuhrenden Unternehmen der Elektroindustrie, das zu starke finanzielle Engagement an Elektrizitatswerken und -verbrauchern im-Krisenjahr

1900 zu einem deutlichen Absatzruckgang. Einige Jahre spater wurde das Unternehmen liquidiert.48

Die chemische Industrie entwickelte sich zur zweitwichtigsten Branche in Köln, obwohl nur wenige Unternehmen vor dem ersten Weltkrieg die grol3industrielle

Produktion aufnahmen. 49 Die chemische Fabrik Kalk, vormals Vorster & Griineberg, stellte neben Kunstdiinger noch Massenartikel der chemischen Grof3industrie her. 50 Demgegenuber dominierten die Vereinigten Ultramarinfabriken AG, vormals Leverkus, Zeltner & Cie., seit 1890 in der Farbenherstellung. Sie entstanden aus dem Zusam- menschluss siiddeutscher und niederrheinischer Fabriken.51 Erweitert wurde das Pro- duktionsspektrum durch die Sprengstoffherstellung. Aus Sicherheitsgrunden wurden unbewohnte rechtsrheinische Regionen als Standorte gewahlt. Hier dominierten die Rheinische Dynamitfabrilk (1873 gegr.) und die Kolner Dynamitfabrik AG. 52

Auch das Eisenbahnwesen verzeichnete einen weiteren Aufschwung. Das Kolner Eisenbahnnetz wurde weiter ausgebaut, so dass weitere Industriebetriebe an das Verkehrsnetz angeschlossen wurden. Zwischen 1879 und 1882 wurden die drei privaten

Gesellschaften vom preuf3ischen Staat ubernommen. Neben dem.Gutertransport wurde die Personenbeforderung eine wichtige Einnahmequelle, die auch zur Umgestaltung der Bahnhofsanlagen fiihrte. 53

46Vg1 . 47Vg1 . 48 V g1. 49Vg1. 50Vg1

. 51 Vg1. 52 V g1. 53Vg1 .

H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.159

F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.307 f.; H.Kellenbenz u. K.van Eyll,a.a.O:,S.159 f.

F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.308

F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.306 ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.161 F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.306 ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.161

H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.161 ; P.Steller, a.a.O., S.22

F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.306 ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.161 f.

R.Eggermann, a.a.O., S.486 ; H.Kellenbenz u. K.van Eyll, a.a.O., S.164

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46 TU A11 % ;- Vol. XXVII, No.1 • 2

Tabelle 3: Die Kolner Erwerbstatigen nach ihrer beruflichen Stellung in den drei Kategorien

1882 1895 1907

Stellung abs. rel. abs. rel. abs. rel.

Selbstandige Angestellte Arbeiter Erwerbstatige

14,422 32.9%

2,986 6.8%

26,496 60.3%

43,904 100%

23,142 8,576 72,281 103,999

22.3%

8.2%

69.5%

100%

28,939 21,123 102,462 152,524

19.0%

13.8%

67.2%

100%

Vgl. K. Jaspers, Die Urbanisierung der Stadt K61n, hrsg. v. Rheinisch- Westfalischen Wirtschaftsarchiv zu Koln, Köln 1977, S.101

4Die soziale Entwicklung Kolns

4.1 Der Zusammenhang zwischen Beschaftigten- and Sozialstruktur

Eine Moglichkeit der Analyse der Sozialstruktur besteht in der vergleichenden Betrach- tung mit der Beschaftigtenstruktur. Von der Entwicklung der erwerbstatigen Bevolkerung and deren Aufbau lassen sich Ruckschlusse auf die wirtschaftliche and soziale Entwick- lung bzw. Probleme ziehen. 54 Dabei kann aus der Stellung des Erwerbstatigen im Beruf

auf seine soziale Stellung geschlossen werden. Daneben sind auch Ruckschlusse auf das Arbeitseinkommen sowie auf den Bildungsstand moglich. 55

4.2 Die Veranderungen in der Sozialstruktur

Bis zum Jahre 1880 wurden in Köln keine Berufszahlungen durchgefuhrt , so dass der Umfang der Erwerbstatigkeit der Kolner Bevolkerung bis zu diesem Zeitpunkt schwer nachvollziehbar ist. 56 Tendenziell laf3t sich fur das Jahr 1849 feststellen , dass die meisten Beschaftigten mit 31.0% im Handwerk tatig waren . Die nachstwichtigsten Branchen waren Gesinde mit 16.5% Handarbeiter and Tagelohner mit 14.5% sowie Handel and Verkehr mit 12.5%. In Industrie and Grof3gewerbe waren 12.0% beschaftigt. 57 Damit umfasste der Anteil der hauptberuflich Erwerbstatigen 37 .0% der Gesamtbevolkerung.

Wahrend die Berufszahlung von 1880 noch mit zahlreichen Ungenauigkeiten behaftet war and einen Anteil von 42.02% ermittelte, lassen sich ab 1882 exakte Ergebnisse ermitteln .

54Vg1 . K.Jaspers, a.a.O., S.76 55V

g1. K.Jaspers, a.a.O., S.99 F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.284 56Vg1 . K.van Eyll, a.a.O., S.244 ; K.Jaspers, a.a.O ., S.77

57Vg1

. K.van Eyll, a.a.O., S.244

(13)

June 1998 Industrialisierung and gesellschaftlicher47

Demnach stieg die Quote der Erwerbstatigkeit, ohne Berucksichtigung der berufslosen Selbstandigen, ab 1882 mit 38.20%, uber 1895 mit 39.53% bis 1907 auf 39.80% mit zunehmender Bevolkerung uberpropotional an. 58

Fur die gleiche Zeitspanne laf3t sich die Sozialstruktur anhand der Berufsstellung der in Köln wohnenden Erwerbstatigen unter Nichtberiicksichtigung des Offentlichen

Dienstes and der freien Berufe untersuchen. Demzufolge sank der Anteil der Selbstandigen von 32.9% uber 22.3% auf 19.0%. Demgegenuber erhohte sich der Anteil der Angestellten von 6.8% uber 8.2% auf 13.8%. Uneinheitlich verlief die Entwicklung des Arbeiteranteils mit 60.3% uber 69.5% auf 67.2%; insgesammt jedoch steigend. 59 Das Sinken des Anteils der Selbstandigen hing mit dem schnellen Wachstum der Stadt zusammen. In der expandierenden Agglomeration konnten sie dennoch eine bessere Wirkung erzielen. 60

Die Angestellten konnten ihren Anteil in alien drei Kategorien erhohen. Im tertiaren Sektor profitierten sie in erster Linie von der wachsenden Bedeutung Kolns als Bank- und Versicherungsplatz sowie als Handelszentrum. Im sekundaren Sektor wuchs die Gruppe von technischen and kaufmannischen Angestellten, die in Grof3unternehmen oft nur administrative Tatigkeiten ausubten, die nicht immer mit einem gleichzeitigen sozialen Aufstieg verbunden waren. Demgegenuber resultierte die Zunahme des Arbeiter-

anteils hauptsachlich aus der Eingemeindung der industrialisierten Vororte. 61

Zwar profitierten die Arbeiter and unteren Einkommensbezieher an der Industria- lisierung durch Einkommensverbesserungen, aber dennoch konnten sie bis zum ersten

Weltkrieg nicht mehr als den Grundbedarf erwerben. In Kriesen- and Inflationszeiten mussten sie deshalb oft die Stadtische Armenhilfe in Anspruch nehemen. Somit driickte sich die soziale Frage nicht nur in den beengten Wohnverhaltnissen, sondern auch in einem niedrigen Einkommensniveau aus, denn unter die oben genannten Gruppen fielen 71% der Eikommensbezieher. 62

4.3 Die Wohnungsverhaltnisse

Im Zuge der Industrialisierung der Stadt Koln verschlechterten sich mit stark ansteigen- der Bevolkerung die Wohnungsverhaltnisse fur einen grof3en Teil der Bevolkerung immer mehr. Wahrend im Jahre 1815 fur ca. 49,000 einwohner rund 7,000 Wohnungen zur Verfugung standen, waren es im Jahre 1870 fur ca. 130,000 Einwohner nur 10,235. Die Kolner Stadtverwaltung betrieb jedoch keine aktive Wohnungspolitik, sondern wollte

58Vg1. K.Jaspers, a.a.O., S.77 ff.

59Vg1. ebenda, S.101

60Vg1. F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.285

61 Vgl . F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.285 ; K.Jaspers, a.a.O., S.102 ff.

62Vg1 . F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.285 f. , S. 338 f. ; K.Jaspers, a.a.O., S.102 ff.

(14)

48 Vol. XX VI I, No.1 • 2

im Geist des Manchester-Liberalismus Verbesserungen der Wohnungsverhaltnisse pri- vater Unternehmen uberlassen. 63 Erst seit der Jahrhundertwende unterstiitzte sie private and genossenschaftliche Wohnungsbauprojekte durch finanzielle Vergiinstigungen, baupolizeilicher Erleichterungen sowie preisgunstigen Abgabe von Bauland.64

Jedoch verschlechterten sich nicht nur die quantitativen Verhaltnisse; auch die qualitative Entwicklung wendet sich zum Negativen. Besonders der Teil der Bevolkerung, dessen Jahreseinkommen zur Jahrhundertwende unter 1,500 Mark lag. Sie lebten in beengeten, zuuberfullten Wohnungen, die wesentliche baupolizeiliche sowie hygienisch- gesundheitliche Mangel aufwiesen and zudem zu teuer waren. Vielfach kamen noch Unzulanglichkeiten im Mieterstatus hinzu, die weitere Nachteile in bezug auf Renovierungsarbeiten and Kundigungsschutz mit sich brachten. 65

Private Initiativen zur Verbesserung der Wohnungsverhaltnisse gingen seit den 1840er

Jahren von verschiedenen Unternehmen (1843: Carl Joest , 1850er Jahre: Kolnische Maschinenbau-Anstalt and van der Zypern & Charlie') and ab denl880er Jahren von gemeinnutzigen Baugenossenschaften aus. In diesem Baugenossenschaften waren vielfach auch Unternehmen in leitenden Funktionen tatig. Unterstutzt wurden diese Vereinigungen von der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, die sich durch ihr finanzielles Engagement eine Verringerung der Versicherungsfalle erhoffte. Die Baugenossenschaften errichteten teilweise Miethauser, teilweise Erwerbshauser , die den Arbeiterfamilien preisgunstig zum Kauf angeboten wurden. 66

Die Griinde fur den Arbeiterwohnungsbau lagen bei den Unternehmern in der Notwendigkeit, neue Mitarbeiter aus anderen Gebieten anzuwerben, in der Schaffung einen seBhaften Arbeiterstande and in sozialen oder sozialpolitischen Motiven.

Grof3tenteils wurden Miethauser errichtet, teilweise erhielten die Arbieter auch Darlehen zum Eigentumserwerb. 67 Vereinzelt wurden von Unternehmern auch Stiftungen zur Forderung des Arbeiterwohnungsbaus gegrundet, die dann der Stadt zur Verwaltung ubertragen wurden. Teilweise wurden hier finanzielle Bedingungen festgelegt oder der Kreis der Nutznief3er auf eigen Mitarbeiter eingeschrankt . 68

63Vg1 . K.van Eyll, a.a.O., S.244 ; K.Jaspers, a .a.O., S.110 64Vg1

. K.Jaspers, a.a.O., S.164 f.

65Vg1 . K.Jaspers, a.a.O., S.130, S.156 ff.

66Vg1

. K.van Eyll, a.a.O., S.244 ; K.Jaspers, a.a.O., S.172 ff., S.180 f .

67Vg1. F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.285 f. , S. 346 ; K.Jaspers , a.a.O., S.184 ff. 6$

Vg1. K.Jaspers, a.a.O., S.189 ff.

(15)

June 1998 Industrialisierung and gesellschaftlicher 49

4.4 Die sozialpolitische MaBnahmen

Der Kolner Armenverwaltung kam in Krisenzeiten eine groBe Bedeutung zu. Ihr unterstanden auch private Wohlfahrtsorganisationen, Kranke, Invalide and Arbeitslose wurden von ihr uberwiegend mit Naturalleistungen unterstutzt. In den grof3en Krisen der Jahre 1816/17 and 1848 musste sie zeitweise 30% der Bevolkerung betreuen. Die Unterstutzung der Arbeitslosen spiegelte die wirtschaftliche Entwicklung im Handwerk wider, das seit den 1830er Jahren unter der industriellen Entwicklung and den Krisen am meisten litt. 69 Nach 1871 wurde auch das sozialpolitische Engagement privater Unternehmer unterstutzt. Darunter fiel auch die 1896 gegrundete "Stadtcolnische Ver- sicherungskasse gegen Arbeitslosigkeit im Winter", die jedoch bis 1902 nur 1,000 freiwillig Versicherte unterstutzte. 70

Auch die Stadt Köln grundete nach 1872 weitere sozialpolitische Einrichtungen: 1894 eine Arbeitsnachweisstelle fur Arbeitssuchende, 1898 eine Wohnungsnachweisstelle and

1905 eine Rechtsauskunftsstelle fur die minderbemittelte Bevolkerung. 71 Daneben fuhrte die Stadt weitere sozialpolitische MaBnahmen zur Bekampfung der Sauglingssterblichkeit ( Fursorge, kostenlose Trinkmilch ), zur Verbesserung der Gewahrung von Obdachlosen- asyl, Notstandsarbeiten im Winter zur Bekampfung der Arbeitslosigkeit and die Ubergabe von Schrebergarten an arme Famillien sowie kostenloses Schulfruhstuck ein. 72

Dagegen hielt sich die Stadt bei auBergewohlichen Notsituationen (Rhein uberschwem- mungen) lange Zeit zuruck. Hier kritisierte sie die mangelnde Eigenhilfe der Burger, die

zu viele stadtische Maf3nahme forderten. In diesen Krisensituationen waren allerdings wieder hilfreiche Unterstutzngen privater Geldgeber zu beobachten. 73

69Vg1. K.van Eyll, a.a.O., S.246 70Vg1

. F.-W.Henning, Stadterweiterung, S.246 71Vg1 . ebenda, S.349

72Vg1

. ebenda, S.348 f.

73Vg1 . ebenda, S.349

Tabelle 1:  Die  Entwicklung  der  Bevolkerungszahl  in  Koln  auf
Tabelle  2 :  Die Entwicklung des Kolner Stadtgebietes  (1814-1914)
Tabelle  3:  Die  Kolner  Erwerbstatigen  nach  ihrer  beruflichen  Stellung          in  den  drei  Kategorien

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