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<研究ノート>Böhmische Dörfer am anderen Ende der Welt ーDie Rezeption der Prager deutsch-böhmischen Literatur in Japanー  

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Academic year: 2021

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  Die Rezeption derPragerdeutsch-böhmischen Literaturin Japan  

浅野 洋

ASANO Hiroshi 要旨:本稿は、2019年5月28日、プラハ文学館(PragerLiteraturhaus)で上記のタイトルで催 された講演の要旨であり、一部訂正を加えて掲載するものである。全体としては拙訳『ヨーロッ パはプラハで死んだ』の出版意義と日本におけるプラハのドイツ語文学の受容について述べたも のである。具体的には次の項目について詳述している。1)翻訳に至る経緯 2)日本における プラハのドイツ語文学の受容 3)原著の意義、影響、受賞 4)チェコ語版の意義、影響、受 賞 5)日本語への翻訳の問題点、出版の意義、受賞の理由。 キーワード:プラハのドイツ語文学、プラハ文学館、異文化の翻訳

1.Meine Vorstellung und Beziehung zu Serke-Die Situation um 1968-

 AlsGymnasiaststark von Kafka beeindruckt,lasich die meisten Werke von ihm und war neidisch aufdie deutsche Literatur.Die Keio-Universität,an die ich mich 1968 einschrieb,war die einzige Universitätin Japan,die von Sartre und Beauvoirbesuchtwurden.Sartre,der innovative Ideen hatte, wurde an die private Universität Keio eingeladen, weder die öffentlichen Universitäten noch die großen Zeitungsunternehmen hatten wederSartre noch Beauvoirseinerzeiteingeladen.DerCampuswarvollerStudenten,die Anti-Vietnam-Plakate trugen.Eswarso voll,dassviele Studenten kaum noch Platz hatten.Über6.000 Zuschauer hörten SartresVortrag „DerStandpunktderIntellektuellen“.So lebhaftund kritisch waren die Studenten damals.

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Studentenbewegungen die Universitäten in ganz Japan in Aufruhr brachten. Ich war in diesem Sommeran dervon derStudentenbewegung bestreikten Universität.

 Im gleichen Jahrereignete sich der„PragerFrühling”.Ich habe zu Beginn desNachworts meiner Übersetzung „Böhmischen Dörfer“ Folgendes geschrieben.„Am 21. August 1968, gegen 24 UhrMoskauerZeit,marschierten 35.000 Soldaten desWarschauerPaktesmitsechs Tausend Panzern über die Grenze der Tschechoslowakei nach Prag ein. Für eine der schönsten Hauptstädte Mitteleuropaswareswiedereine Erfahrung derErniedrigung und Unterdrückung, die sich seit dem dreißigjährigen Krieg einmal mehr wiederholte. Der damalige GeneralsekretärAleksanderDubček versuchte dastschechische Volk im Radio zu beruhigen,ohne die von Breschnew angeführte Sowjetsarmee zu provozieren.Doch erwurde nach Moskau gebracht.Wie schon beiderNazi-Invasion von 1939 leistete dasPragerVolk mit verbalerMachtden Panzern Widerstand und diesesMalappellierte esan junge Moskauer Soldaten.DerWiderstand fand durch den Untergrundsenderund mitWandparolen statt.Sie markierten Panzermiteinem Kreuz und sie tauschten die Verkehrszeichen in „Dubček“ und „Svoboda“ ausund änderten die Richtungsangabe in „Nach Moskau“.Eswaren die Lehren einesJan Hus´ und TomášGarrigue Masaryks.

 Die japanischen Zeitungen berichteten täglich ausführlich überdie sowjetische Invasion in Prag,wie sowjetische Militärstiefelgrausam überdasPragerKopfsteinpflastermarschierten und überdasScheitern des„PragerFrühlings“ alsentscheidendesEreignisdereuropäischen Zeitgeschichte.

 Nachdem ich mein Studium an derUniversitätabsolvierthatte,ging ich zweckseines Aufbaustudiums an die Universität München. Dort studierte ich hauptsächlich die österreichische Literatur um die Jahrhundertwende und Rezeptionsästhetik. Nach dem Studium warich 38 Jahre lang an derHochschule alsDozentim Fach Germanistik tätig.  Schon während des Studiums interessierte ich mich für die Exilliteratur; für Brecht, ThomasMann,RobertMusil.Daneben hatte ich Gelegenheitdie Büchervon Serke zu lesen, die mich in meinerweiteren Forschung stark beeinflussten.BereitsSerkesersterBand zur deutschen Exilliteratur „Die verbrannten Dichter“ hinterließ bei mir während meines Studienaufenthaltesan derUniversitätMünchen in den Jahren 1976 bis1979 einen bleibenden Eindruck.Alsich „Die verbrannten Dichter“ las,musste ich meine bisherigen Thesen über

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die deutsche Exilliteratur sowie die aus Prag, Böhmen und Mähren stammenden deutschsprachigen Autoren neu überdenken.Diestrug besonderszurWiederentdeckung der vergessenen Pragerdeutschen und deutsch-böhmischen Autoren bei.MitdieserBegegnung begann eine jahrelange und intensive Auseinandersetzung mitden Texten Jürgen Serkes. Seitzwanzig Jahren beschäftige ich mich mitden Werken Serkesbzw.mit„Die verbrannten Dichter“ und „Böhmische Dörfer“,die von ihm verfasstwurden.

2.Wie wird die Pragerdeutsche Literaturin Japan rezipiert?

 Es stellt sich von selbst die Frage, wer die Leser in Japan sind und welche deutsc h-sprachigen Autoren fürgewöhnlich in Japan rezipiertwerden.Erstalsdie Kafka-und Ril ke-Welle nach dem Zweiten Krieg in Japan begann, wurden ihre Werke neben anderen deutschsprachigen Autoren am meisten gelesen.Zu Kafka und Rilke gab es2,3 verschiedene Gesamtausgaben in Japan.Zwarwerden die beiden Autoren auch heute noch relativ oftin Japan gelesen,aberaußerden oben genannten Autoren sind wenige PragerLiteraten,wie z. B.Leo Perutz,PaulLeppin oderauch Jaroslav Hašek in Japan bekannt.

 Bis in die 1980er Jahre gab es an den japanischen Universitäten sog. „Allgemeine Bildungskurse“, die man obligatorisch in den ersten zwei Jahren des Studiums belegen musste.Damalslasen die Studenten relativ vieldeutsche Literatur,wie z.B.ThomasMann, Hermann Hesse und natürlich auch Franz Kafka.Nach derJahrtausendwende veränderte sich die Situation an den Universitäten sehrrasch.Ohne Bildungskursen und ohne eine zweite Fremdsprache durften nun die Studenten an den meisten Universitäten des Landes ihr Studium absolvieren.

 In Japan gibt es eine besondere Tendenz, die bekannten und als „groß“ eingestuften Autoren zu publizieren.Bezüglich desVerlagsproblem kann ich mich erinnern,dassmehrals 100 Büchervon Nazi-Schriftstellerwährend desZweiten Weltkriegesvon den bekannten Professoren in Japan übersetztwurden.

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3.Welcheswaren die Hauptschwierigkeiten beiderÜbersetzung der„Böhmischen Dörfern“?

 Nach langerVorbereitungszeiterschienen die „Böhmischen Dörfer“ in Japan endlich im Jahr2018.ZurPublikation desBuchesbrauchte ich mehrals10 Jahre.Schon früh im Jahr2003 habe ich Herrn Serke besucht,um ihm eine Übersetzungsarbeitder„Verbrannten Dichter“ anzubieten. In seinem Hamburger Haus habe ich mit ihm über die Rezeption der„ Verbrannten Dichter“ in Japan diskutiert und von dem positiven Echo in der Rezension berichtet. Dabei habe ich ihm versprochen, die „Böhmischen Dörfer“ ins Japanische zu übersetzen.Ich habe im „Bulletin“(ein regelmäßig erscheinendesMagazin)zweiMalpro Jahrein KapitelderÜbersetzung veröffentlicht,bisich 2016 endlich damitfastfertig war.  Die Veröffentlichung dieserÜbersetzung warin derTatdas,wasman alsein „schwieriges Unterfangen“ bezeichnet.Die Situation,in dersich japanische Verlage aktuellbefinden,ist unvorstellbar schwierig. Die veröffentlichten Publikationen haben sich in den letzten 20 Jahren um ein Drittel reduziert. Viele Verlage zögerten, schwierige und voluminöse Publikationen zu veröffentlichen.Trotz allerWidrigkeiten gelang esmireinen Verlag zu finden,dervon einem Ehepaargeführtwird.Von da an brauchte ich anderthalb Jahre biszur fertigen Publikation.Eswaren insgesamt6 Korrekturfassungen notwendig.

 Beim Lesen desÜbersetzungsbandesistvorallem dasVerständnisfürdie Geschichte der Tschechischen Republik,die Invasion während derNazi-Zeit,„DerPragerFrühling“ und die „Samtene Revolution“ von 1989,ausschlaggebend.Ohne dasentsprechende Geschichtsver -ständnisaufdem Gebietdesheutigen Tschechiensund derSlowakeikann man nichtohne Weiteresden Textverstehen.Deswegen habe ich dem Textzahlreiche Übersetzungsnotizen hinzugefügt,die dem japanischen Leserwichtige Hinweise geben.Und die Ortsnamen habe ich aufTschechisch und Deutsch geschrieben.FürJapaneristPilsen verständlicheralsPlzen. Ohne diese Notizen wird die fremde Kulturnichtverstanden.

 Die Übersetzungsarbeitwäre ohne die Hilfe von Herrn Serke und den Austausch von zahlreichen E-Mails undenkbar gewesen. Es war eine schwierige Aufgabe, den journalistischen,unverwechselbaren Stil,aberauch den ironisch-satirischen StilderPrager Dichtersowie die Form und den Stilderdeutschsprachigen böhmisch-mährischen Poesie ins

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Japanische zu übertragen.Bildlich gesprochen,waresein hartesStück Arbeit.Ich musste häufig darüber nachdenken, wie ich Passagen ins Japanische übersetze, ohne dass Bedeutungsinhalte verloren gehen.

 Ich hatte dem Lesepublikum,die in Japan unbekannten,deutschsprachigen Autoren sowie die spezielle politisch-historische Lage, aber auch das sozio-kulturelle Umfeld vorgestellt. Dabeibeschränkte ich mich nichtnuraufdie möglichstwortgetreue Übersetzung,sondern bereiste selbstmehrals5 MalPrag.

4.Die Bedeutung der„Böhmischen Dörfern“ in Deutschland und derČSSR

 Die Tatsache, dass der Autor Jürgen Serke sein Buch „Böhmische Dörfer“ vor der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1987 verfasst hat, ist in jeder Hinsicht bedeutungsvollund außerordentlich wichtig.Serke stellte insgesamt47 bisdahin unbekannte vergessene Prager deutsche Schriftsteller und ihre Lebensläufe im späteren Exil vor. In einem Interview mitderJournalistin Markéta Kachríkova erklärtSerke,„Kafka,Werfelund Rilke habe ich ausgelassen,die kannte man.“

 Im ersten Abschnittvon SerkesBucheswerden mitdem Aufsatz „Europa starb in Prag“, gefolgtvon 15 Schriftstellern,die ihre Kindheitund Jugend noch in „Österreich-Ungarn“ verbrachten,ihre produktivste Zeitin derErsten Tschechoslowakischen Republik,dersog. Masaryk-Republik,hatten und deren kulturellesErbe schließlich mitdem Einmarsch der Wehrmacht 1939 unwiederbringlich zerstört wurde, biografisch aufgearbeitet. Serke beschrieb ausführlich,die Situation,die nach dem Einmarsch im sog.„ProtektoratBöhmen und Mähren“ herrschte.Viele Autoren flohen schon vordem Einmarsch nach England oder Palästina.Die,die esnichtschafften,kamen in deutschen Konzentrationslagern um.Andere starben im Exil,wie beispielsweise derÜbersetzerund AutorRudolfFuchs.Im letzten Teil mitderÜberschrift„Wanderungen durch eine verlassene literarische Landschaf“ twurden schließlich 32 weitere Autoren vorgestellt.Im Fokusderliteraturhistorischen Aufarbeitung stehen die Umstände und die DetailsihrerLeben,bisdie 1939 geflüchteten Schriftstellerdie Tschechoslowakeiverlassen mussten.Die 47 Künstlerlassen sich nach ihrem Geburtsort

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klassifiziert,mit16 Personen ausPrag,17 ausBöhmen,10 ausMähren und 3 anderen aus Wien.

 Mitden obigen dreiTeilen wird dasSchaffen und Wirken dertschechisch-jüdischen und deutsch-jüdischen Schriftstellersorgfältig alsGanzesdargestellt.Eswarseinerzeitdaserste Malnach dem Zweiten Weltkrieg,dasseine Vielzahlvon jüdischen Schriftstellern und ihre Biografien vorgestelltwurden,und natürlich auch dererste Versuch in derTschechischen Republik.Die Rezeption und Reaktionen von und aufSerkes„Böhmische Dörfer“ können auch als Dokument für die Unterdrückung in zwei totalitären Staaten, nämlich des Nationalsozialismus und des Kommunismus für deutsch-jüdische Schriftsteller in der Tschechoslowakeigelesen werden.

 1987 wardasJahr,alsin derBundesrepublik Deutschland derSammelband desdamaligen Stern-Journalisten Jürgen Serke unterdem Titel„Böhmische Dörfer“ erschien und in Ostund Westsofortfürein Rauschen im medialen Blätterwald sorgte.DerBand befasstsich mitder speziellen politischen Situation aufdem Gebietdesheutigen Tschechiensvorund nach dem 30. September 1938. Der Band beschäftigt sich mit der reichhaltigen deutschsprachigen literarischen Landschaft,mitTexten sowie den Lebenswegen und Schicksalen ihrerAutoren. Autoren,die bislang selbstunterGermanisten in Deutschland,Österreich und derSchweiz vorwiegend unbekanntwaren,wie u.a.HansNatonek,OskarBaum,Ludwig Winder,Ernst Sommer,Hermann Ungar,RudolfFuchs,CamillHoffmann,Hansund Franz Janowitz,aber auch JohannesUrzidil,Leo Perutz,Max Brod und vielen mehr.AlsÜberschriftzurEinleitung des Bandes wählte Serke den passenden Titel„Europa starb in Prag“. Ich habe ihn als Haupttitelfürdie japanische Übersetzung benutzt,weilich den Titelfürsensationellund eindrucksvollhielt.DerBand giltbisheute alsbesondersdetaillierte und gutrecherchierte Sekundärliteratur und Quelle zu den Autoren der Prager deutschen sowie deutsc h-böhmischen und deutsch-mährischen Literaturgeschichte.

 Esging zurZeitdesKalten Kriegesum nichtvielwenigeralsdarum,die Dominanz überdie politische Deutungshoheit zur deutschsprachigen Literaturgeschichte und zur deutschen Sprachgeschichte zwischen 1848 und 1948 zu behalten. Der Präsident der Ersten Tschechoslowakischen Republik — TomášMasaryk — waresauch,derdie PragerPresse, eine deutschsprachige Zeitung,mitdem Zielgründete,die deutschsprachige Minderheitzu

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integrieren,die in derZwischenkriegszeitnoch ca.22.5% derBevölkerung ausmachte.Das Feuilleton übernahm von 1921 bis1939 derPragerdeutsche SchriftstellerOtto Pick.

 Alsdie Originalausgabe veröffentlichtwurde,waren die Rezensionen in Westdeutschland schrecklich und dasBuch kritisiert.Lassen Sie unsdie damalige Akzeptanzsituation ausdem Interview mitdem Autor,welcheserRadio Praha gab,rekapitulieren.Die meisten Kritiker wiesen daraufhin,dassSerkesUrteilüberden Kommunismuszu hartsei.Unabhängig vom tatsächlichen Stand derVerhältnisse im realexistierenden Kommunismuswardie politische „Linke“ im Westen voller Sympathien für den Osten, und die Bedeutung der von Serke vorgestellten deutschsprachigen Schriftsteller wurden selbstverständlich vor dem Hintergrund des aktuellen politischen Klimas in der Bundesrepublik ignoriert und heruntergespielt.Im Buch erklärtSerke deutlich dasUnverständnisderVergangenheitin Westdeutschland und das Unverständnis über die Veröffentlichung.„Die Bundesrepublik brauchte lange Zeit,um ihre eigenen ‚Verbrannten Dichter‘ wiederzuentdecken.Ihre sich allzugern im Rechts-Links-Denken erschöpfende Literaturbetrachtung hätte andere Anstrengungen erfordert,um die Qualitätderdeutschen DichterausBöhmen zu erkennen.“1  Wie am Anfang diesesBuchesbeschrieben,hieltsich Serke 1968 alsKorrespondentdesUPI in Prag aufund waran derSchriftstellerkonferenz beteiligt,an derKundera,Vaculík,Kohout und andere Dissidentenschriftstellerteilnahmen.Während desAustauschesmitumstrittenen Autorengruppen brachen die Geschehnisse um den „PragerFrühling“ überdie ČSSR herein und Serke musste dasLand natürlich alsunwillkommene Person verlassen.Erdurfte die oben genannten Schriftstellerwederin derČSSR noch in den westlichen Ländern treffen.Am Ende seinerlangen und wiederholten Recherchen sowie InterviewswardasErgebnisderDruck einesweiteren Buchesmitdem Titel„Die verbrannten Dichter“,in dem die Bedingungen ihresExillebensbeschrieben und auch unveröffentlichte Werke vorgestelltwurden.

 Übrigensmag die Überschrift„Europa starb in Prag“,wasauch derTitelderjapanischen Übersetzung ist,einen großen Eindruck hinterlassen haben,aberlautSerke wird daswie folgterklärt.„Die deutschen Okkupanten zerstörten die jüdische KulturdesLandes.Die

      

1 Serke,Jürgen:„Böhmische Dörfer– Wanderungen durch eine verlassene literarische Landschaf“t Wien 1987,S.76.

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Tschechen zerstörten nach derBefreiung 1945 die deutsche KulturdesLandes.Wasdann kam mitderkommunistischen Machtübernahme,war‚FinisBohemiae‘,wardie Abwendung des Landes von Europa, war der Traum von der Realisierung des marxistischen Materialismus. Europa starb in Prag.“2 Kurz gesagt, Böhmen und Mähren waren der

Schmeltztiegelderdeutschen,derjüdischen und dertschechischen Kultur,aber1948 wurden Böhmen,Mähren und Prag nach dem Ende des2.Weltkriegesvon derSowjetunion zum „Satellitenstaat“ desKommunismusdegradiert.

 Wie in Serkes Buch ausführlich beschrieben, waren das „Münchner Abkommen“, die Abtretung dersudetendeutschen Gebiete,die Okkupation von 1939 und derProzessder NS-Invasion die Gründe fürden Zusammenbruch derTschechoslowakei.Durch dasErstarken desKommunismusnach dem Krieg regierte die eingesetzte Regierung derSowjetsweiterhin die Tschechoslowakei.So starb derGeistEuropasin Böhmen.„Böhmen stirbt,Prag stirbt. Denn das, was davon übrig geblieben ist, geht ins Exil, wird ins Exil gedrängt“.3 Die

deutschsprachigen Schriftstellerwurden vordiesen historischen Ereignissen in alle Länder derWeltverstreut.Sie mussten in Ländern wie England,den Vereinigten Staaten,Palästina, Mexiko und viele mehremigrieren und im Exilihre literarische Arbeitfortsetzen.Oftwurden sie abgelehntund mussten neue Themen finden.Während sie unterDruck gesetztwurden, mussten sie die Richtung ihrerliterarischen Arbeitund Aktivitätneu bestimmen.

 Serke erklärte,wie die Juden die Blütezeitdermitteleuropäischen Literaturaufbauten. „Einige Leute,die ausschließlich deutschsprachig waren,waren mitden deutschen Inseln in den slawischen Meeren verbunden, die nach Prag und Böhmen benannt wurden.“4

Außerdem wird in seinem Buch der Zusammenhang zwischen der Existenz von Minderheiten in Prag und der Literatur auf diese Weise anschaulich erklärt. „Die deutschsprachige LiteraturPrags,die vorwiegend eine jüdische war,lebte innerhalb ihrer sprachlichen Grenzen aufeinem Geschichtsboden,dergleichermaßen tschechisch,deutsch und jüdisch war, mehr noch: kakanisch durch die Habsburg-Monarchie, der exakt jene

       2 Ebd.,S.17.

3 Ebd.,S.84. 4 Ebd.,S.46.

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Trennungen nicht zuließ, die durch Sprachgrenzen gezogen waren.“5 Bei diesem Buch

handeltessich um einen Text,derfreiin verschiedene Richtungen gewebtwurde und die so definierte böhmische Literatur, die einzelnen Schriftsteller, und ihre Familiengeschichte behandelt.

 SerkesSchreibartbestehtwie dasVerfahren in „Die Verbrannten Dichter“ darin,dassdie beschriebene Methode darin besteht, die Spuren des Schriftstellers in der Zeit nachzuzeichnen. Dokumente und Fotos machten es möglich, Beweise vorzulegen, und aufgrund derenormen Rezeption wardie Resonanz groß.Gleichzeitig nutzte Serke seine Persönlichkeit als Journalist, um die deutschen Schriftsteller, Familienangehörigen und Freunde zwischen 1985 und 1987 in England, den Vereinigten Staaten, der Schweiz, Argentinien und Israelzu besuchen.Viele dieserSchriftstellerbezeichnete Serke alsvom „historisch-kollektiven Gedächtnisvergessen“,und eswurden nurwenige Exemplare der Erstausgabe veröffentlicht,und in vielen Fällen bestand keine Hoffnung aufeinen Nachdruck. Viele Autoren, deren Manuskripte Serke fand, waren aber nicht in der Lage sie zu veröffentlichen oderfanden häufig keinen Verleger.Überden Weg derWiederentdeckung konnten vergessene Texte publiziertwerden und SerkesBuch spielte dafüreine große Rolle. In diesem Sinne kann SerkesRolle alsunermesslich betrachtetwerden.Heutzutage berufen sich nachgeborene Germanisten und Biografen aufihn.

 Die Materialsammlung desJournalisten füllte die Lücken in derLiteraturgeschichte,die bisher mit den drei Riesen von Rilke, Kafka und Werfel endete, und rekonstruierte die Aktivitäten derGruppe kleinerSchriftsteller,die die Literaturgeschichte unterfüttert.Die Tatsache,dassBriefe,Tagebücherund Materialien verloren gingen,beinhaltetdasProblem, dassdie „Erinnerungsorte“ derEinzelnen mit„kollektiven Erinnerungen“ verbunden sind.  Aufgrund despublizistischen EffektesdiesesBucheswurde 2004 ein von derVereinigung „Else Lasker-Schüler“ gesponsertesForum in Prag fürneun Tage gehalten,wobeiSerke die Leitung übernahm.Genscherund derehemalige PräsidentVáclav Havelbeteiligten sich auch an den Diskussionen überdeutsche Literaturin derTschechoslowakeiin den 30erJahren und über die unglücklichen Beziehungen zu den sudetendeutschen Gebieten. Darüber hinaus

       5 Ebd.

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wurden Exil und Exilthemen über „böhmische Schriftsteller“ debattiert und es wurde geltend gemacht,dassdie historische Anerkennung überdie Region derSudetendeutschen und derTschechischen Republik,die Frage derVertreibung von Deutschen und die Frage der Entschädigung nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls bedeutend war. Die deutschsprachige Literaturvon Prag und Böhmen wurde in dertschechischen Gesellschaft nach und nach bekannter.So istesauch in derTschechischen Republik sehrzu begrüßen, dassvergessene SchriftstellerderdreißigerJahre wiederentdecktwerden.

 Ich möchte kurz den Effektvon SerkesBuch aufandere Büchernachzeichnen.Wie bereits erwähnt, hat dieses Buch eine außergewöhnlich sensationelle Reaktion auf das In-und Ausland erfahren. Auch die tschechische Fassung erhielt 2001 eine außerordentliche Reaktion.Die an ausländische und tschechische Schriftstellerverliehene Auszeichnung „Magnesia Litera“ wurde 2002 an Jürgen Serke verliehen.LautRobertKrumphanzl,derbei Triáda-Verlag,in dem die tschechische Ausgabe der„Böhmischen Dörfer“ erschien,fürdas Lektoratverantwortlich istund begierig aufdie Veröffentlichung war,dauerte eslange Zeit, bisdie Veröffentlichung durchgeführtund abgeschlossen war.Die Arbeiten wurden von vier Deutsch-Tschechisch-Übersetzern durchgeführt.Sie übersetzten den Text,die Gedichte und überprüften die historischen Daten.Die tschechische Übersetzung,die von derdamals12 Quadratmetergroßen Redaktion deskleinen Verlags— heute vielgrößeralsdamals— produziertwurde,machte SerkesBuch „besseralsdie Originalfassung,besondersdurch die im Buch verwendeten Fotos,bekannt“.Die tschechische Ausgabe wurde in den Kritiken lobend besprochen.Sie füllten die PragerZeitungen,sodassdie meisten Zeitschriften die Übersetzung und die deutsch-jüdischen Schriftstellerwiederin Tschechien bekanntmachte. Die tschechische Ausgabe ging weitüberdie deutsche Fassung von 1987 hinaus.

 Die 2001 insTschechisch übersetzte Ausgabe wurde aufdem GebietderLiteraturund Politik in derTschechischen Republik zweimalausgezeichnet.In Deutschland erhieltSerke außerdem noch den „Kunstpreisfürdie Zusammenarbeitzwischen Deutschland und der Tschechischen Republik“.Ein Preis,mitdem auch derehemalige BundespräsidentRichard von Weizsäckerund derehemalige AußenministerderBundesrepublik Deutschland,Hans Dietrich Genscher,ausgezeichnetwurden.

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-agit verliehen. Der Grund für die Auszeichnung ist, dass er zur Verbreitung der tschechischen Literaturin seinen Büchern und Ausstellungen wie „Die verbrannten Dichter“ und „Böhmischen Dörfer“ im „Haus der verfolgten Künste“ in Solingen beigetragen hat. Hauptgrund fürdie Auszeichnung wardie Anerkennung und Wiederentdeckung derin der Tschechischen Republik nichtmehrvorhandenen deutschen Literatur.In derFolge erhielter sowohlin dertschechischen Republik auch in Deutschland insgesamtdreiAuszeichnungen. Diese Auszeichnungen vermitteln eloquenteinen TeilderRezeptionsgeschichte nach der Veröffentlichung diesesBuches.

 Die im Jahre 2018 in Japan erschienene Übersetzung der„Böhmischen Dörfer“ dürfte der japanischen Germanistik wertvolle Texte und Biografien zahlreicherweitererdeutschspr a-chigerAutoren sowie auch spannende Rechercheergebnisse ausPrag und Wien zugänglich gemachthaben.

 Die Vision derJST(Japan Society ofTranslators)istwie folgt.In diesem 21.Jahrhundert verbreitet sich die Sichtbarkeit Japans in verschiedenen Bereichen der globalen Gemeinschaft.Eswird immerwichtiger,mitkulturellerVielfaltzu interagieren und sich in verschiedenen Ländern über Sprachbarrieren hinweg zu verstehen. Die JST hat diese Mission bereitsseiteinem halben Jahrhundertaktiv vorangetrieben.Die JST zeichnetjedes Jahrherausragende Leistungen von Übersetzern und Verlegern desJahresaus.DasZielvon JST ist es, die Übersetzung von Minderheitensprachen ins Japanische sowie deren Veröffentlichung zu fördern und zu erleichtern.

 Die japanische Übersetzung der „Böhmischen Dörfer“ und dessen Übersetzer wurden mittlerweile miteinem Preisfürdie Arbeitausgezeichnet.Dererste Grund derAuszeichnung wurde fürdie Verdienste desHerausgebersverliehen,derdie beste Übersetzung publizierte, die den japanischen Lesern sowohldie nichtmehrexistierende deutsch-böhmische Literatur alsauch die unbekannten Pragerdeutschsprachigen Literaten neben Kafka,Rilke,Werfel,Leo Perutz und vielen mehrnähergebrachthat.

 Dasvom Übersetzerverwendete Japanisch istleserfreundlich und verständlich,damites vom japanischen Lesepublikum leicht rezeptiert werden kann. Besonders die von Serke zitierten Gedichte zu übersetzen,warbesondersschwierig.Dasin den Gedichten verwendete Vokabularistselbstverständlich ganz andersalsdasim Alltag verwendete Japanisch.Auch

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den Rhythmus des Gedichtes, das gereimte Gedicht zu übersetzen, war eine schwierige Arbeit.DarüberhinausmussbeiderÜbersetzung derSinn desGedichtserhalten bleiben. Wichtig ist aber, ob das verwendete Japanisch als Kulturgut ästhetischen Ansprüchen genügt.

5.Die Bedeutung derÜbersetzung in Japan

 Esgab eine Zeit,in derdie Leute den Machthaberhassten und den Frieden suchten.Sie mussten mitansehen,wie ihre Verwandten nach Auschwitz deportiertwurden.Und esgab eine Gruppe literarischerAutoren,die insExilflüchteten.Die Schauplätze derSchriftsteller, die die Absurditätvorläufig derDichtung anvertrauten und sie in den Briefen hinterließen, waren Prag,Böhmen und Mähren.Ihre Themen waren Heimkehr,Einsamkeit,Grenzen,Tod, Konzentrationslager, Gefängnis, Muttersprache, Gedächtnis, Kameradschaft und ferner Verrat.Alle Themen sind in diesen literarischen Werken verdichtet,deren Schriftstellerin den Gefängnissen,in den Konzentrationslagern und im Exillebten oderstarben.

 Wasbedeutetes,diese böhmischen Exilschriftstellerim Jahr2019 vorzustellen?Welche Bedeutung hat es in dieser geschlossenen Situation besonders in der oben genannten Umgebung der Studenten in Japan, die Tschechoslowakei 1938, 1948 und 1968 zu interpretieren?Wird sich die Geschichte wiederholen?Warum wiederholen wirdieselben Fehlerim 21.Jahrhundert,obwohlwirausderGeschichte gelernthaben sollten?Zwarmuss sich derÜbersetzerdesTextesaufdie Gedichte,Werke und Briefe desAutorskonzentrieren und interpretieren,aberermusssich gleichzeitig die Frage stellen,wasderganze Textim japanischen Kontextvon heute bedeutet,wasderTextfürdie jungen Leute bedeutet.Alles kann man ausderGeschichte lernen.

 Im August 2017 besuchte ich für Materialrecherchen und Interviews die Kurt Krolop Forschungsstelle an der Karls-Universität Prag, die Kafka-Gesellschaft und das Prager Literaturhaus. Mein Interesse galt bei meinem jüngsten Besuch der Kurt Krol op-Forschungsstelle der Karls-Universität. Die Stelle gilt als Nachfolger der ersten Forschungsstelle zurPragerdeutschen Literatur,die ein Jahrnach dem „PragerFrühling“

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zwangsweise geschlossen wurde.Weitere Stationen meinerRecherchen waren das„Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren“, das 2004 in Form eines Stiftungsfonds auf Veranlassung derPragerSchriftstellerin Lenka Reinerová zusammen mitdem damaligen Botschafter der Tschechischen Republik in Berlin František Cerny und mit dem Vorsitzenden derFranz Kafka-GesellschaftKurtKrolop gegründetwurde.

 Alsich von derKafka-Gesellschaftim Innenhofin derŠiroká-Straße zum alten jüdischen Friedhofging,sah ich eine Touristengruppe,die wie Ameisen in derHintergasse derAltstadt im PragerSommerunterwegswar,die tschechischen Jugendlichen mitSmartphones.Auf dem Wenzelsplatz waren die Tafeln zu sehen,die an den „PragerFrühling“ erinnerten,aber diejenigen, die anhielten, waren meistens ältere Leute. Und ich dachte mir, dass nun öffentliche Versammlungen und Gedenkveranstaltungen folgten.

 Die Aufregung derMenschen,die den Wenzelsplatz während derSamten Revolution von 1989 füllten,istspurlosverschwunden.Eswird gesagt,dasssich die alten Kaderin derneuen Parteidurch Korruption bereichern.Verblasstalso dashistorische GedächtnisderMenschen? Ich konnte nichtumhin,an jenen Widerstand und jene Rebellion zu denken.Dazu mussich ergänzen,dassim Maiund Juni2019 überallin Tschechien gegen die Regierung demonstriert wurde,und dassderWenzelsplatz mitmehrals120,000 Demonstranten gefülltwar.

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